Musik

Interview mit Christian Schrödel (ELYSIUM Doom-Zine)


© Christian SchrödelChristian Schrödel ist Erfinder und Herausgeber von ELYSIUM, dem "Magazin für Doom & Gloom". Jeder kann sich glücklich schätzen, der die beiden bisher erschienenen Ausgaben sein Eigentum nennt, denn zweifellos werden sich künftige Sammlergenerationen um den Besitz der kultigen Lektüre kloppen. Wir werfen jetzt ewas, und zwar einen Blick hinter die Kulissen.

Thomas: Als Schriftsetzer a.D. habe ich was zu meckern. Das haken wir jetzt ab, damit wir es hinter uns haben. Die erste Ausgabe hat keine Nummer. Ein Skandal! Wie das? Schlichte Ignoranz oder haste etwa gedacht, das ist die erste und die letzte Ausgabe ...

Tja, eigentlich war von vornherein angedacht, das ganze Land mit weiteren Ausgaben einem Krebsgeschwür gleich zu überziehen. Allerdings wäre es doch etwas vermessen von mir gewesen, der ersten Ausgabe gleich eine Nummer zu geben. Denn was wäre gewesen, wenn ich plötzlich unrühmlich gestorben wäre, man mich gefangen gesetzt hätte oder ich von seltsamen Wesenheiten entführt worden wäre?! Dann wären weitere Ausgaben lediglich fiktive Schriften, ähnlich dem sagenhaften "Necronomicon", das ja nie geschrieben wurde und lediglich in der Phantasie mancher überspannter Geister existiert. Das wollte ich auf jeden Fall verhindern, obwohl ich das Mysteriöse, das Geheimnisvolle und Rätselhafte über alles liebe...

Thomas: Ein Erscheinungsdatum wäre im Grunde auch nicht schlecht gewesen. Das erleichtert die Zuordnung in späteren Sammler-Greisen ...

Zeit ist relativ und eigentlich ohne Bedeutung, wenn der Geist von Doom Metal durchdrungen ist. Ganz gescheite Denker könnten allerdings messerscharf kombinieren und Schlussfolgerungen aus den jeweiligen Datumsangaben ziehen, die unter den Interviews stehen. © Christian Schrödel

Thomas: Für die erste Ausgabe hast du dich in einem Zwerghasenstall ablichten lassen. Oder ist das eine Kartoffelkiste? Öhm ... deine Wohnstatt gar ... oder bloß das Foyer von deinem Gehege? Neee, oder?

Ja, ich lebte jahrelang in einer Kartoffelkiste. Als ich noch klein war, dachten meine Eltern, ich sei eine Knolle und legten mich zu dem anderen Unrat, den sie im Moment nicht gebrauchen konnten. Glücklicherweise kamen manchmal Wanderer des Weges, die mich mit Brotkrumen fütterten, wenn ich Kunststücke für sie vollführte.

Thomas: OK, das wäre geklärt. Die Köpfe sind jetzt frei und leer ... und genau deshalb beginnen wir einfach am Anfang. Wie war das, als du das Kellergewölbe des Metal entdeckt hast? Es gibt da garantiert ein Schlüsselerlebnis. Du hast etwas gehört und dann sofort gewusst: D-A-S ist es! Wer und/oder welche Band ist dafür verantwortlich?

Ähm... eigentlich kann ich dir das nicht verraten, wenn ich mir noch einen letzten Rest von Würde und Selbstachtung bewahren will. Denn die Antwort auf deine Frage lautet Bon Jovi! *hüstel* Ähm, eigentlich sollte ich sagen Witchfinder General oder Saint Vitus, das klingt viel weniger peinlich, aber leider wird man ja nicht als Doomhead geboren... :-/

Thomas: Bald wurdest du zu einem engstirnigen, bornierten, und auch noch ungewaschenen Fundamentalisten deiner Leidenschaft, doch das befriedigte dich immer noch nicht. Es fehlte noch etwas. Etwas war plötzlich in dir, hat dich ausgefüllt, doch genug ist nicht genug. Der vom Blitz Getroffene brauchte einen Ableiter. Was ich damit fragen will: Wie und wann wurde die Idee für "Elysium" geboren?

Es war einfach so, dass ich irgendwann ein Ventil für meine geistigen Ausgeburten brauchte. Ich bin kein sonderlich kunstbegabter Mensch, auch wenn ich es gerne wäre. Aber meine Phantasie suchte nach Möglichkeiten, sich zu manifestieren. Dies geschah in Form von Kurzgeschichten, in denen ich meiner Vorliebe für das Dunkle und Unerklärliche der menschlichen Psyche nachgehe, als auch diesem kleinen Heft, das einfach ein Kniefall vor jenen Bands sein soll, die ich persönlich sehr achte. Allerdings entstand das Elysium mehr aus einer Notsituation heraus. Ich wollte unbedingt ein Fanzine herausgeben, doch da mir die nötigen Kenntnisse für eine Online-Version fehlten, musste es eben ein klassisches Heft werden. Die Idee zum Elysium hatte ich schon seit längerem, richtig ernsthaft begann ich aber erst im Herbst letzten Jahres darüber nachzusinnen. Zudem hatte ich immer das seltsame Gefühl, dieser Welt etwas hinterlassen zu müssen. Da meine Blutlinie möglicherweise mit mir ausstirbt, dachte ich an ein paar Niederschriften, über deren Sinn oder Unsinn folgende Generationen rätseln dürfen. ;-)

Thomas: Dein Schreibstil ist ebenso sachlich wie witzig, mitunter aber auch voller Ironie, vor allem was deine eigene Person betrifft. Du hast zweifellos ein sehr sonniges Gemüt. Doch wo die Sonne hell erstrahlt, gibt es sicher auch Schatten ...

Hmm... ich bin kein vor Lebensfreude überschäumender Mensch, eher ein nachdenklicher Beobachter meiner Umgebung. Zuweilen amüsiere ich mich im Stillen über die Merkwürdigkeiten dieser Welt. Mich selber und die meisten meiner Mitmenschen nehme ich eigentlich kaum ernst.

Thomas: Das Internet ist ja ganz nett, oder auch net, aber so was Handfestes eher viel besser. So ein Mag funktioniert völlig ohne Strom - auch im Dunkeln hat man was in der Hand. Es ist einfach da und es bleibt!

Wohl gesprochen, Bruder! Außerdem ist ein Fanzine in Heftform vielseitig einsetzbar, z.B. als Klopapier in Notsituationen oder Brennmaterial, das einen vor dem sicheren Kältetod bewahren kann.

Thomas: Wie erhältst du dir eigentlich die Motivation, so etwas zu machen? Kommerzielle Dinge sind dir ja völlig fremd. Was also treibt dich? Wo ist dein Motor? Wo ist deine Tankstelle?

Es ist einfach Idealismus. Diese Musik ist ein wesentlicher Teil meines Lebens und das Heft ein Ausdruck meiner Leidenschaft.

Thomas: Deine "Heiligen" zelebrieren eine Musik, die nicht gerade pure Lebensfreude rüberbringt. Liest man aber beispielsweise das Interview mit MIRROR OF DECEPTION, fällt auf, dass die Schwaben eher Komiker vor dem Herrn sind. Folglich darf man schließen, Doom ist, wenn man trotzdem lacht ...

Leider haben viele Leute einen falschen Eindruck von Doom Metal. Die Medien propagieren gerne das Image depressiver, trübsinniger Musik, wenn sie sich dieser Musikform zuwenden. Doch ist Doom nicht der Ursprung des Heavy Metals?! Und steht Heavy Metal nicht für Stärke und Unbeugsamkeit?! Doom ist quasi die Seele des Heavy Metals! Ein reiner Geist spricht aus dieser Musik. Eine ungeheure emotionale Tiefe kann davon ausgehen, die nichts mit dem kitschigen Gefühlsbombast gemein hat, den manche Bands oder Kritiker als Doom bezeichnen. Schwere Musik mit Keyboards, Gegrunze und Frauengeträller ist kein Doom. CRUSH THE WEAK!!! HAIL HEAVY METAL!!! Und natürlich scheint die Sonne auch für Doomköpfe, sonst hätte ich mich wohl schon längst an einem Glockenseil aufgehangen. Doom wirkt ja quasi befreiend auf das Gemüt, wie eine Karthasis, die all den Schmutz von der Seele wegspült. Sicher kann man dabei wunderbar melancholischen Gedanken nachsinnen, sich in dunklen Landschaften verlieren, doch ist diese Melancholie nicht subversiv, eher kraftschöpfend, auch wenn sich das für viele paradox anhören mag.

Thomas: Du hast eine Menge Kontakte in alle Welt aufgebaut. Du stellst uns beispielsweise Bands aus Schweden, Italien, Spanien, Finnland, Norwegen, Irland, USA, Kanada, Peru, Russland oder Australien vor, und ich frage mich, wie du das zeitlich auf die Reihe bekommst.

Das ist eigentlich keine große Sache. Verglichen mit meinem alten Kumpel Lovecraft, der zu seinen Lebzeiten etwa 10.000 Briefe verfasst hat, ist meine Korrespondenz verschwindend gering. ;-)

Thomas: Doom-Bands aus Russland oder Peru sind ja schon exotisch genug, aber dass es in Franken eine gibt, da wäre ich nie drauf gekommen. Wo zum Teufel ist eigentlich Franken?

Franken? Hmm... gute Frage. Es soll dort Menschen geben, soweit ich gehört hab. Ich kenne auch Leute, die dieses wilde gefährliche Land bereist haben und nicht wiederkehrten, obwohl ich sie gewarnt habe, Murmeln für die Eingeborenen mitzunehmen.

Thomas: Du warst auf der Venus, hast den Saturn bereist und so nebenbei auch einen Surfbrettverleih auf dem Mars aufgemacht. Läuft der Laden?

Die Marsianer haben ihn mir dicht gemacht, weil ich mich weigerte, ihren idiotischen Gott anzubeten. Sie verlangten von mir Opfergaben in Form greiser Jungfrauen. Leider haben die Heilige Inquisition und Generalhexenjäger Matthew Hopkins die meisten schon verbrannt...

Thomas: Ich war erstaunt, im ersten Heft etwas von UTGARD-LOKI zu lesen! Inzwischen sind die Epic-Viking-Doom-Visionisten verdientermaßen etwas bekannter geworden. Insbesondere weil sie aktuell als Support für SAMOWAR auf ihrer "Little Murderer-Tour" nun endlich die Möglichkeit haben, vor einem größeren Publikum aufzutreten. Ich gehe davon aus, du bist am 9.11.06 in der "Letzten Instanz" in Strullingen selbst und dann auch noch persönlich anwesend!?

Hölle, na klar!!! Ich würde mir den Rest meines Lebens bitterste Verwürfe machen, nicht dort gewesen zu sein! UTGARD LOKI und SAMOWAR haben meinen Leben verändert!!!

Thomas: Meine Endgültige hat mir eine Liste mit Doom-Bands ausgedruckt. Rund 800 Grüppchen werden da aufgezählt. Meine Güte, wie kommen die bloß über die Runden???

800??? Was für eine inflationäre Zahl!!! Aber frag mal die elitären Mitglieder des "Circle of True Doom" und sie werden dir eine andere Zahl nennen, hehe... Sicherlich hat Doom Metal in letzter Zeit ein kleines Revival erlebt, doch ist Doom eigentlich vollkommen unabhängig von gängigen Trends und wird immer eine musikalische Randerscheinung bleiben. Enthusiasten des Genres schätzen die Ehrlichkeit und Authentizität, die hinter der Musik steckt. Bei vielen sogenannten "Doom-Bands" kann ich jedoch nicht viel "Ehrlichkeit" erkennen. Sie klingen für mich eher nach einem Kunstprodukt. Es reicht nicht, sich lediglich der Stilistika zu bedienen, wenn man nicht sein ganzes Herzblut in die Musik legt. Langsamer Metal ist nicht zwangsläufig Doom.

Thomas: Jedenfalls hast du noch eine ganze Menge Arbeit vor dir. Rein inhaltlich dürfte dir der Stoff so schnell nicht ausgehen.

Um ehrlich zu sein, ist die Szene nicht so unerschöpflich und eigentlich sehr leicht zu überblicken. Daher werde ich das Konzept für die nächste Ausgabe etwas ändern...

Thomas: Und "langweilig" ist die Mucke ja wohl kaum, denn es scheint ja unendlich viele Variationen und Facetten zu geben!

Richtig, es gibt wohl kein anderes Genre, das innerhalb seines stilistischen Rahmens so viele Möglichkeiten bietet sich auszudrücken. Von einem sanften Streicheln der Sinne bis zu einem titanischen Donnerschlag ist alles dabei!

Thomas: Im Vorwort zur zweiten Ausgabe schreibst du, dass alle potentiellen Leser dieses Heftes in ein Auto passen. Schon mal überlegt, einen Anhänger zu kaufen?

Gute Frage, hehe... Nein, die Zeichen der Zeit stehen vollkommen gegen mich. In Zeiten des Internets macht sich kaum noch jemand die Mühe, in gedruckten Fanzines zu blättern. Zudem ist das Heft ja lediglich für einen winzigen Kreis deutschsprachiger Doom-Freaks. Die bekommt man alle in eine kleine Kirche, wie man beim Doom Shall Rise-Festival sehr gut sehen kann.

Thomas: Das zweite Heft hat 20 Seiten mehr als der Vorgänger. Willst du weiter expandieren, oder gibt es für dich irgendwo eine Grenze?

Wenn ich die nötige Zeit hätte, würde ich auch eine 20-bändige Enzyklopädie herausbringen. ;-) Aber es ist wohl bequemer, sich vorerst auf ein Heftformat von maximal 80 Seiten zu beschränken. Für mehr Seiten reicht eine gewöhnliche Klammerbindung einfach nicht aus. Und ich will die Produktionskosten ja so niedrig wie möglich halten.

Thomas: Du arbeitest an ELYSIUM #3. Kannst du uns einen kleinen Ausblick geben, wen und was wir erwarten dürfen?

Okay, dann lass ich mal die Bombe platzen: Das Elysium gibt's nicht mehr. Wie zuvor schon angedeutet, werde ich das Konzept für die nächste Ausgabe mitsamt dem Namen ändern. Die geplante dritte Ausgabe des Elysium wird also die erste Ausgabe des STURMWANDERER werden, einer "Kundschrift für Obskurmusik". Es gibt einfach zu viele gute Bands, die keinen Doom spielen, als dass ich sie ignorieren möchte. Der Fokus soll auf kauziger, verschrobener Musik liegen, wovon es ja im Doom genug gibt. Aber es gibt auch einige unorthodoxe, außergewöhnliche Bands im epischen Heavy Metal, die ich vorstellen möchte. Außerdem hab ich auch ein Faible für dunklen, nordisch inspirierten Folk, was ich nicht länger geheimhalten kann. Es wird also einige Überraschungen geben! :-)

Thomas: Nun verlangst du ja nicht gerade viel für das Mag. Kommst du überhaupt auf deine Kosten, oder legst du drauf?

Der Preis ist so knapp kalkuliert wie nur möglich. Vermutlich lege ich sogar drauf, was mir aber gleich ist. Als Fanzine-Herausgeber denkt man nicht in finanziellen Dimensionen. © Christian Schrödel

Thomas: Wie sieht es mit der Auflage aus? Wieder 200? Da müsste doch eigentlich mehr drin sein, und wieso macht "Inuluki" auf MySpace nicht mehr Werbung?

Jep, es werden wohl wieder 200 Hefte werden. Sollte es doch eine steigende Nachfrage geben, kann ich ja noch ein paar Hefte nachdrucken... Viel Werbung brauche ich für das Fanzine nicht zu machen. Jene, die es wirklich interessiert, finden schon einen Weg, an das Heft zu kommen. Die Szene ist so klein, dass sich Neuigkeiten schnell herumsprechen. Mehr als ein paar Einträge in relevanten Foren braucht es also nicht, um auf sich aufmerksam zu machen. Ein großer Teil der Auflage lässt sich bei Konzerten und Festivals loswerden, was den angenehmen Nebeneffekt hat, die Leute kennenzulernen, die daran interessiert sind.

Thomas: Wenn jetzt ein Doom-Label o.ä. wegen einer Anzeige anklopfen würde, wie würdest du reagieren?

In Doom-Kreisen geschieht viel auf freundschaftlicher und keinesfalls geschäftlicher Basis, wenn du verstehst...

Thomas: Die Titelfotos finde ich gar nicht so "morbide". Ganz im Gegenteil. Sie symbolisieren zwar Zerfall und Untergang, doch sie sind auch ein Symbol für die Natur, die ihren Platz dereinst wieder zurückerobern wird. Menschen wird es längst nicht mehr geben, und alles was sie geschaffen haben wird vergehen ...

Schön, dass du dir darüber Gedanken gemacht hast. Auf den Betrachter mögen die Bilder ganz unterschiedlich wirken, jeder interpretiert etwas anderes hinein, was ich so spannend an der atmosphärischen Dichte eines eingefangenen Augenblicks finde. Letzlich ist alles vom ewigen Kreislauf aus Niedergang und Erstehung bestimmt, die Kraft des Chaos wirkt unentwegt. Veränderung bringt Leben. Es gibt nichts Totalitäres auf dieser Welt!

Thomas: Montags habe ich immer schlechte Laune. Weißt du vielleicht ein Gegenmittel?

Wie wär's mit Urlaub? ;-) Ein schöner Urlaub für den Kopf ist beispielsweise die vielschichtige, sphärische Musik von In The Woods. Kann ich jedem empfehlen, dem die Realität auf den Kopf zu fallen scheint.

Thomas: Ich bitte um Aufnahme als Abonnent auf Lebenszeit und bedanke mich sehr herzlich für dieses Interview! Wir wünschen dir weiterhin viel Erfolg und hoffen auf eine ständig wachsende Leserschar! Die letzten Worte gehören selbstverständlich dir ...

Es liegt ganz an mir, dir zu danken! Welch interessante Erfahrung, einmal auf der "anderen Seite" zu stehen, hehe... Selbstverständlich sei dir ein Abonnent gewährt, Tom! ;-)
Wer immer mag, kann mich unter Metallianer(at)gmx.de erreichen.



Thomas Lawall - Oktober 2006
(c) TOM UND MARYS WEBZINE

 

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