Musik - Live

HUBERT VON GOISERN
im “Rosengarten” in Mannheim am 03.04.09


Wieder festen Boden unter den Füßen, begann HUBERT VON GOISERN am 01.04.09 die aktuelle Hallentournee. Die S'NIX Tour wird ihn bis zum August durch Österreich, Deutschland und die Schweiz führen. Zu Beginn des Konzertes wirkten der rebellische Multiinstrumentalist und seine Band etwas verhalten, was auch das unsägliche "Showtime" nicht übertünchen konnte. Waren die Abenteuer auf der schwimmenden Konzertbühne und die gut 12000 Kilometer, die sie auf der Donau bis zum schwarzen Meer und anschließend auf Main, Neckar und Rhein bis an die Nordsee zurücklegten einfach zu viel, und die Spuren der Strapazen nicht zu übersehen? Ein Großteil des Mannheimer Publikums schien es ähnlich zu sehen und reagierte auf den ersten Versuch, Stimmung zu machen, so gut wie gar nicht. "Showtime" wirkt aufgesetzt und grenzt an Lächerlichkeit - dieser Song funktioniert nicht - nicht bei einer Band von diesem Format. Doch jeder, der sich vorschnell auf einen müde dahintrödelnden Konzertabend eingestellt hatte, sollte sich gründlich irren ...

Erwähnenswert ist noch das Intro, welches nicht wie gewohnt mit Zieha und der obligatorischen alpinen Breitseite begann, sondern mit einer in blaues Licht getauchten Instrumentalwand aus ebenso ungewohnten wie keyboarddominierten Progressivgebirgen. Großartig! So beginnen im allgemeinen Bands aus der Prog-Rock-Ecke ein Konzert. Ein Hinweis etwa, in welche Richtungen es künftig gehen sollte? Das wäre noch großartiger ...!

Mit dem schon genannten ersten Song war dieser Traum im Handumdrehen vernichtet. Der zweite Song "Auseinandertreiben" präsentierte sich als akzentuierter Reggae. Es dominierten Helmut Schartmüller am Bass und Alex Pohn am Schlagzeug, wobei dieser Song insgesamt vielleicht etwas zu perfekt ausgefeilt wurde. So kann (noch) kein Funke überspringen. Mit "Hinschauen" kam die orientalische Note ins Spiel, an sich ein sehr interessantes Stück, aber ähnlich wie in "Die Straß'n" stellte sich ein immer größer werdender Gähnfaktor ein. Das fünfte Stück "Leben" mag vom Text her in Ordnung gehen, aber der zweite Versuch, Stimmung rüberzubringen, scheiterte ebenfalls. Ich persönlich finde diesen Song einfach miserabel - da kommt einfach gar nichts rüber. Einen einzigen (ersten), aber dafür lautstarken Zwischenruf gab es trotzdem: "I will leben". Hubert kommentierte spontan kontrolliert und formulierte einen gepflegten Seitenhieb auf das bis dato mangelhafte Feedback der Zuschauer: "Das ist jetzt der neue Maßstab."
Ab der sechsten Nummer wendete sich das Blatt grundlegend, und es ist schwierig, hier eine Erklärung zu finden. "Neuer Tag" ist zwar alles andere als ein Stimmungsmacher, doch diese von Herzen kommende Melodie, in Verbindung mit Text und inhaltlicher Aussage, bilden einfach ein völlig anderes Niveau als die beiden erwähnten Plattenputzer. Schon beim ersten Ton war sie da: Die Gänsehaut! Es folgten eine ganze Reihe weiterer ruhiger Songs, angeführt von dem wirklich wunderbaren "Die Liab". Marlene Schuen, die in den vergangenen Jahren immer mehr an Ausdruckskraft gewann, brillierte in "Regen" und "Siagst as" sorgte für eine Gänsehaut-Attacke - auch und ganz besonders ohne Xavier Naidoo ... !

Unter die Haut gingen (ebenfalls) das letzte Stück der TRAD I (2001) "Wann i durchgeh durch's Tal" und das unvergleichliche "Weit, weit weg" ("Aufgeigen statt niederschiassen" - 1992). Dieser Song hat Musikgeschichte geschrieben und die Sehnsucht neu definiert. Vor den beiden Songs gab es einen zweiten unplanmäßigen Zwischenruf, der nicht unerheblich zur allgemeinen Belustigung beitrug. "Hubert, ich will ein Kind von dir!" tönte es unzweideutig aus den hinteren Reihen. Der Angesprochene nahm es gelassen und humorvoll zugleich und sollte im weiteren Verlauf des Abends noch öfter darauf eingehen. Es wäre im Grunde halt "nicht so einfach", da er ja bereits eigene Kinder hätte und das ganze Theater nicht noch einmal wiederholen wollte ...
"Sieger" kam, wie alle gespielten Songs der neuen Platte "S'Nix", ungleich ausdrucksstärker rüber, als die auf Silberscheibe konservierten Musikdateien. HUBERT VON GOISERN ist und bleibt live einfach ungeschlagen. Oft kopiert, aber nie erreicht.

Doch der Abend war noch lange nicht zu Ende. Das fast dreistündige Programm wurde mit der generalüberholten Fassung von "Mercedes Benz" fortgesetzt. Bei dieser Übernummer dürfte es sich wohl um die außergewöhnlichste Interpretation handeln, die auf dem Planeten derzeit existiert. Hubert von Goisern erlaubt hier sogar fast "metallische" Heavyness! Zudem jagte jetzt ein Höhepunkt den anderen. Als 15. Stück wurde "Da Juchitzer" geboten, welcher selbstverständlich längst Kultstatus erworben hat. Vergleiche mit einer Sängerin, die zu Alpinkatzenzeiten eine ultimativ endgültige Interpretation abgeliefert hat, will ich mir heute ersparen, aber es muss gesagt werden, dass Maria Molings Entwicklung in die richtige Richtung geht. Es nötigt mir sowieso einiges an Respekt ab, sich an eine derart schwierige Partitur heranzuwagen, denn was bei Mozart die "Arie der Königin der Nacht ist", ist bei HUBERT VON GOISERN "Da Juchizer" und ich bin so frei, den Schwierigkeitsgrad hier auf eine Stufe zu stellen.

Zurück in alte Zeiten ging es wieder mit einem weiteren Titel aus "Omunduntn" (1994): "Oben und unten" Bekannt ist inzwischen, dass "Poika" nicht gerade eines meiner Lieblingsstücke ist, dennoch muss ich zugeben, dass Hubert und Band ein wahres Feuerwerk abgebrannt haben, insbesondere was die virtuosen Instrumental-Duelle im Schlussteil betrifft. Nachdem der Saal endgültig kochte, gab es kein Halten mehr, was den Meister aber keinesfalls davon abhielt, weitere Kohlen ins Feuer zu schaufeln. "I bin an", das 18. Stück des Abends, sang der versammelte Mannheimer Laienchor dann auch lautstark mit, nachdem man sich zudem entschlossen hatte, nach den Standing Ovations erst gar nicht mehr Platz zu nehmen.

Das Ende des regulären Programms wurde nicht akzeptiert und die musikalischen Helden sahen sich gezwungen, auf die Bühne zurückzukehren, um dem tosenden Beifall Einhalt zu gebieten. Vier satte Zugaben sollten es dann werden und die Stimmung geriet jetzt völlig aus dem Ruder. "Iawaramoi" - mit phantastischem Gesang der drei Grazien - gehört einfach zu dem, was die Leute hören und sehen wollen (das ständige Gezappel dann eher weniger). Dies ist der unvergleichliche Sound, der damals die alpine Lawine in Fahrt brachte. Die radikale Entrümpelung verstaubter volksmusikalischer Gegebenheiten veränderte Hörgewohnheiten und zwar für immer.
Phantastisch auch der "Schleiniger", der mit jedem Mal mehr an Fahrt zu gewinnen scheint. Um die Halle vor dem Zusammenbrechen zu bewahren, nahm man zum bitteren Ende reichlich Dampf aus der Fähre. "Spat" passte hervorragend zur späten Stunde und "Heast as net" war weit mehr als ein melancholisches Monument.

Nach einem solchen Abend, der die zitierten Tiefen fast vollkommen vergessen lässt, ist an Schlaf nicht zu denken. Es sind diese ganz besonderen Momente im Leben, die man nie mehr vergisst und die einem so unglaublich viel mit auf den Weg geben. Um das nicht unerhebliche Eintrittsgeld ärmer, verlässt man die Halle doch um so vieles reicher!

Weitere Fotos in unserem Picasa-Fotoalbum !!!

Thomas Lawall - April 2009
Fotos: © Maria Lawall
 

 

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