SCARSCAB - Under The System Of Mass Destruction (2009)
Neo-Thrash-Metal
... nennen es die gar nicht mal zart besaiteten Knaben aus Wiesbaden und treffen damit den Nagel auf den Kopf. Mannomann, in Hessens Landeshauptstadt hat sich ja allerhand getan, seitem ich um 1980 rum in Richtung Baden-Württemberg emigrierte. Mit dem heutigen Sound hätte das vornehme Kurorchester damals wohl der einen oder anderen baufälligen Location den endgültigen Rest gegeben ...
... und da sind wir gleich schon beim auffälligsten Merkmal der aktuellen Scheiblette. Der Sound ist vom Allerfeinsten und haut einem glatt die Stricknadel aus der Hand. Grund: Im Hause SCARSCAB wird mit dem Spaten gehäkelt! In meinen immer noch vorhandenen Restgehörgängen kommt das Brett so gut zum Schalle, dass bei jedem verdammten Hördurchgang die Überzeugung in mir wächst, dass einen die Schruppscheibe aufgrund genannnter Tatsache selbst dann beeindrucken muss, auch wenn sie einem stilistisch nicht ins Hemd passt! Denn wenn die Musik den persönlichen Geschmack nicht treffen sollte, müssen oder sollten zumindest die musikalisch-technischen Gegebenheiten und Fähigkeiten über subjektiven Sichtweisen stehen.
Derlei Probleme habe ich allerdings nicht, denn bei "Under The System Of Mass Destruction" stimmt so ziemlich alles. Man könnte zwar, wie beim vielbeachteten Vorgänger - dem selbstproduzierten Debut-Longplayer "Soulblood" (2007) - wieder die üblichen Verweise in Sachen Machine Head und von mir aus auch Slipknot und Fear Factory auf die Matte werfen ... man kann es aber auch bleiben lassen. Denn eines ist klar: (Thrash-)Metal kann und wird nicht neu erfunden werden. Das Rad ebenfalls nicht. Aber die durchaus geniale Erfindung kann um einige Facetten erweitert werden, z.B. um breitere Schlappen oder eine flotte Felge vielleicht ...
SCARSCAB haben keine neue Entdeckung gemacht, dennoch sind sie auf dem besten Weg, etwas sehr wichtiges zu finden, nämlich sich selbst! Und genau das ist der Punkt, der sie vielleicht von anderen Bands unterscheidet. Ich will und kann deshalb auch gar nicht auf einzelne Songs eingehen, denn all das Herzblut und die Energie, die hinter diesem Album steht, kann nur der wirklich nachvollziehen, der unmittelbar beteiligt ist. Der Unbeteiligte kann aber zumindest eins: Diese Energie spüren!
Schon das zitierte erste Album war kein Schnellschuss, denn nach der Bandgründung hat man sich fünf Jahre Zeit gelassen. Nach weiteren zwei Jahren wurde nun der richtige Weg gefunden bzw. befestigt. Zur textlichen Ausrichtung muss ebenfalls nicht viel gesagt werden, denn schon der erste Albumtitel verrät bei genauerer Ansicht ziemlich viel - der zweite natürlich erst recht. Die soziel- und gesellschaftskritischen (An)Klageschriften sind ebenfalls nicht eben so mal aus dem kindlich-naiven Ärmel geschüttelt, sondern erlebt und gefühlt! Emotionalität, Wut und Enttäuschung öffnen hier ein Ventil, das sich mit Überdruck entlädt. Das sind SCARSCAB und das ist "Under The System Of Mass Destruction".
Die Hilflosigkeit einem unbarmherzigen System gegenüber, ergeht sich aber nicht in einem Dauergebolze der stumpfsinnigen Art, was schon im erhaben, fast sakralen Intro klar wird. Schon die ersten Töne geben vor, dass hier etwas diffiziler betoniert wird. Was allein an differenzierter Sangeskunst auf 11 Tracks geboten wird, geizt nicht mit Abwechslung. Gut gebrüllt Sebel! Aber der Mann kanns auch eindringlich clean und leise, was vielleicht "The Harvest Of Destruction", "In Chains" und ganz besonders "Violation" eindrucksvoll beweisen, zumal die zurückhaltenden Wegstrecken den Wutfaktor ganz besonders kontrastreich erscheinen lassen.
Und genauso machen es die um ihn Versammelten. Denn an der richtigen Stelle das Gas rausgenommen, brettert es sich hernach umso besser über die letzten noch vorhandenen Grünstreifen. Und auch hier möchte ich niemanden besonders hervorheben. Weder das fulminante Sägewerk, den meterbreiten Basszerstörer oder gar Mister Double-Wahn am Bombengestänge.
Am liebsten würde ich eins vor die Zwölf bewerten, behalte mir aber ein Pünktchen in petto, um den nächsten Platten noch genug freien Raum nach oben zu lassen ...
Fazit: Filigran-brachialer Neo-Thrash. Neue deutsche Wertarbeit!
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