VANDEN PLAS "Christ O" (2006)
Prog-Metal
Alexandre Dumas hätte sich wohl nicht träumen lassen, dass heuer seinem Werk "Der Graf von Monte Christo" eine musikalische Bearbeitung der besonderen Art widerfahren würde. Die Story vom rachsüchtigen Grafen, der nach zwanzig Jahren Haft eine Blutspur durch die Lande zieht, wurde allerdings von Andy Kuntz kräftig "aufgebohrt". Er entwickelt eine metaphorische Umsetzung, die neben dem Original auch noch Elemente aus "Das Schweigen der Lämmer" und "Angel Heart" adaptiert. Ein fiktiver Esoterik-Thriller, dem neben der musikalischen Konservierung auf einen banalen Tonträger auch noch die Umsetzung als Musical bevorsteht...
Lange ist es her, seit uns "Beyond Daylight" (2002) beglückte, aber man war bis heuer nicht untätig. Nicht nur Theaterengagements bei "Jesus Christ Superstar", "Evita" und "Nostradamus", sondern auch die Arbeiten für Andy Kuntz' Soloscheibe "Abydos" (2004) sowie das gleichnamige Musical (Premiere 25.02.06/Pfalztheater Kaiserslautern) füllten die Zeit aus.
Technisch gesehen, ist das fünfte Studioalbum klassischer ausgerichtet als der Vorgänger. "Orchestraler" also, auch wenn hier "nur" Samples vom Prager Sinfonieorchester verwendet wurden. Aber was soll's. Cello ist Cello, oder? Äh ja, ...(scheinbar) härter geht's aber auch zu... und überhaupt lässt sich technisch einiges zu "Christ 0" anmerken und aufzählen. Zuerst fällt das "Monsterbombastdrumming" von Andreas Lill auf. Mit gnadenloser Perfektion unterstreicht er pausenlos das Wirken seiner Kollegen. Bruder Stephan an der Gitarre greift etwas deftiger in die Saiten und liefert eine grandiose Auswahl an ergreifenden Soli, dicht gefolgt von den diesbezüglichen Aktivitäten am Keyboard. Herr Werno glänzt mit Bombast, der aber nie aus dem Rahmen fällt. Torsten sorgt am Bass für raffinierten Spannungsaufbau... und Sänger Andy sowieso...! Der charismatische Frontmann hat nochmals enorm an Ausdruckskraft gewonnen. Den richtigen Ton trifft er in jeder Lebenslage, auch wenn es in schwindelnde Höhen geht... Keine Hauptrolle, aber immerhin den einen oder anderen "i-Punkt", kann der "Turandot"-Chor des Pfalztheaters Kaiserslautern beisteuern...
VANDEN PLAS gelingt es wieder, die eigene Handschrift zu erweitern und zu bereichern. Habe ich im Review von "Beyond Daylight" noch von einem "Metal-Expressionismus" gesprochen, definiere ich inzwischen mehr in Richtung Prog-Metal, denn einer gewissen Verspieltheit ist eine deutliche "Verhärtung" entgegengetreten. Die zahlreichen ruhigen Momente der Platte werden dadurch zusätzlich unterstrichen und gewinnen durch diesen Kontrast mehr als je zuvor. Bestes Beispiel ist die Bombastballade "Fireroses dance". Kopf und Herz explodieren bei dieser Musik gleichermaßen. Einfach großartig. Habe ich einst Vergleiche mit YES gewagt, gibt es heute für mich keine Paramenter mehr. Ausgeschlossen...
Was noch außer "Technik"? Viel viel mehr... aber die emotionale Seite lasse ich lieber weg, denn sonst würde ich mich verzetteln...
Zum Bersten voll ist diese unverwechselbare Dramaturgie und dieses monströse Klangwerk, doch typisch VANDEN PLAS ist und bleibt, vor Komplexität schier zu platzen, sich aber dennoch nicht im eigenen Reichtum zu verlaufen! Und genau deshalb dürfen wir weiterhin Unglaubliches von der Band erwarten, egal wie lange es wieder daueren möge...
Fazit: Musik-Krimi. Intelligente Ohrenweide. Zärtliches Getöse...
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Tracklist:
01. Christ 0 02. Postcard to god 03. Wish you were here 04. Silently 05. Shadow I am 06. Fireroses dance 07. Somewhere alone in the dark 08. January sun 09. Lost in silence Bonus track: 10. Gethsemane
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Line-up:
Andy Kuntz: Gesang Andreas Lill: Schlagzeug Stephan Lill: Gitarre Torsten Reichert: Bass Günther Werno: Keyboards
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