CD-Review

STREAM OF PASSION  "Embrace The Storm" (2005)

Gothic-Pop-Prog


Ein weiterer Höhepunkt des Jahres dürfte das neue Projekt von Arjen Anthony Lucassen (AYREON) sein. Hauptperson ist Sängerin Marcela Bovio, der sich die gesamte Band unterzuordnen hat. Das liegt an den unzähligen Klangfarben, welche die Dame zu bieten hat und die keinesfalls in einem instrumentalen Donnerwetter untergehen dürfen...

Während der erste Track "Spellbound" noch etwas unsicher aus dem Nebel tönt und in "Passion" eher bekannte Wege in Richtung "Gothic-Gruppenbild mit Dame" beschritten werden, wird bereits im dritten Track ein erster Höhepunkt angedeutet. Die sparsame Instrumentierung und die gefühlvolle Zurückhaltung der Band setzt in "Deceiver" deutliche Akzente in Sachen Spannungsaufbau. Treibender Bass, verspieltes Klavier, klagende Geige, gezielt sägende Gitarre und schleppendes Schlagzeug unterstreichen eine Stimme, die Flügel wachsen lässt...

Diese kann man dann auch prompt in "I'll Keep On Dreaming" gebrauchen, denn sonst würde man sich in dieser Traurigkeit verlieren und gnadenlos abstürzen.

"Haunted" kommt mir dann ebenso spanisch wie etwas metallischer vor, wenn auch die Zutaten wieder spartanisch kontrolliert und mit angezogener Handbremse präsentiert werden. Klasse!

In "Wherever You Are" kann Marcela Bovio uferlose Melancholie in eine fast naive Hoffnung verwandeln. Das Tempo wird logischerweise etwas angezogen, wobei die kreischende Virtuosität und die Wucht der amerikanischen Gitarristin Lori Linstruth einmal besonders auffallen darf!

"Open Your Eyes" bringt uns umgehend wieder zur Ruhe und Marcela Bovios Gesang fast zur Verzweiflung! Erinnerungen an Kate Bush werden wach und anschließend an die Wand gesungen...

Wunderliches tut sich auch in "Embrace The Storm" und "Breathing Again", denn hier nähert sich Frau Bovio sehr (über)deutlich der oft kopierten, aber nie erreichten Joni Mitchell und ihren Frühwerken! Ohne jeden Zweifel kennt sie Legenden wie "Banquet" (For The Roses 1972) oder "My Old Man" (Blue 1971). Auch die dezente Klavierbegleitung klingt im genannten Zusammenhang sehr vertraut...

Der Ausflug "Out In The Real World" ist mir dann etwas zu konventionell, weil (fast) charttauglich. Nü ja, das (seichte) Gothic-Rock-Gestampfe wäre immerhin überdurchschnittliche Haushaltsware in den unendlichen Weiten des Mainstreams. Aber viel bleibt von dem Song nicht wirklich hängen.

Ganz anders in der nun wirklich erschütternden Ballade "Nostalgia"! Ich kann kein Spanisch, also verstehe ich kein einziges Wort, und dennoch will es mir das Herz zerreißen!! Und dann auch noch das verdammte Cello...

Track 12 erschreckt deshalb umso mehr... und lässt die Tränen schnell wieder trocknen. "Calliopeia" versucht es wieder in Richtung Mainstream. Das wird aber nicht funktionieren, denn dazu ist die Nummer einfach zu gut. Dieser Ausklang darf dann wieder etwas deftiger sein, und so wie es scheint, will die Band schnell demonstrieren, dass im Ernstfall auch mit Volldampf geheizt werden kann.

Man darf äußerst gespannt sein, wohin dieser kreative Solistenzug fahren wird, und vor allem, ob ordentlich Kohlen nachgelegt werden oder weiter Frau Bovio gehuldigt wird.

Fazit: Gefühlvolle Inszenierung um eine großartige Sängerin.

 

Thomas Lawall - Dezember 2005

 

 

Tracklist:

01. Spellbound
02. Passion 
03. Deceiver
04. I'll keep On Dreaming 
05. Haunted 
06. Wherever You Are
07. Open Your Eyes
08. Embrace The Storm 
09. Breathing Again 
10. Out In The Real World
11. Nostalgia 
12. Calliopeia

Line-Up:

Marcela Bovio: Gesang, Geige
Lori Linstruth: Leadgitarre
Arjen Anthony Lucassen: Gitarre
Davy Mickers: Schlagzeug
Alejandro Millán: Klavier
Johan van Stratum: Bass

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