CD-Review

JOHNNY LIEBLING  "Nur nicht nach Haus" (2007)

Alternativ - Jazz - Garage House


... und noch ganz viel mehr! In diese übersichtliche Schublade passen dann noch so abgenudelte Begriffe wie Pop, Schlager, Blues, Rock ... und eine deftige Portion lateinamerikanisches Aphrodisiakum. Alles klar, somit hätte ich den Pflichtteil abgehakt, denn jeder weiß nun exakt, wo die musikalische Reise hingeht ...

Im Ernst ... jetzt gibt es eine ganz neue deutsche Welle, die nun sämtliche Neubauten zum Einsturz bringen dürfte. Najachen, so neu ist sie nun auch wieder nicht, denn immerhin bringen Deutschlands Lieblinge schon die dritte Scheibe heraus, wenn man die Maxi-CD "Dope Jazz" von 2003, der freundlichen Erwähnung halber, einfach mitzählt.

Die härteste Rockband der Republik schockiert schon im gruseligen Opener ... und zwar mit einem Kinderliedchen. Sollte man dem allerliebsten Getön vorrangig lauschen, könnte man das Grauen glatt überhören. Doch so leicht macht es einem das schräge Hamburger Quintett wahrlich nicht. Denn auf das Wesentliche reduziert, hält sich der musikalische Rahmen vornehm zurück, und somit besteht nicht die geringste Chance, die endgültige Lyrik zu überhören:

"... ich riech das Blut von einem Mann
lebendig oder tot
ich mahle seine Knochen
und backe mir Brot ...
  
die Hochzeit platzt, die Fäuste fliegen
es könnte sogar Tote geben ...

Tja, so kann es gehen. Das ist durchaus erwiesen. Jeder von uns hat diese Erfahrungswerte, denn wer auf gute Musik steht, war ja schon mindestens 2-3mal verheiratet, gell?
Nach dem gepflegten Einheizer nehmen die Herrschaften genüsslich Platz und zwar zwischen allen verfügbaren Stühlen! Die Band vertont die zügellose Lyrik des Lebens in ein musikalisches Patchwork, baut aus Wahnsinn ein Luftschloss nach dem anderen und weiß sehr genau, wie man jeden sonnigen Tag mit der Rasierklinge aus den eigenen Lügen schält, um diesen mit jenen zu strafen!
Irgendwo im unendlichen Niemandsland zwischen profaner Gröhlemeierei und vergessenen Tönen, Steinen und Scherben tummeln sich diese kreativen Diebe und vergehen sich an Jux und Dollerei. Diebe? Ja klar, denn die gestandenen Mannsbilder klauen wie die Raben. Echt jetzt. Ohne das geringste Schamgefühl beklauen sie das Leben und stehlen ihm die Texte, die es täglich schreibt!

"...wild und traurig, süß und schön
in meinen Armen sollst du vergehn'
der Mond scheint golden und du bist jung
ein Lächeln brachte uns zusammen
nun liegst du stumm"

Ein Mörder, wer Schlimmes dabei denkt. Aber eh klar: In einer Stadt ohne Dramen sollte man(n) halt niemals ohne Gedicht spazieren gehen ...

... und keinesfalls das Leben der Geister stören. Es sei denn, man steht auf ätherische Wesen, die im Alkohol krepieren.

Alles was ins Radio passen würde, sezieren die giftigen Hamburger ohne Gnade aus ihren Ideen hinaus. Dazu gehört Frechheit (die letzten Endes aber siegen wird) und wahrer Mut. Man stellt sein Licht gnadenlos unter den Scheffel und zieht den Vorhang einfach zu. BRAVO! Doch damit nicht genug, denn dies will mit Track 7 "Nein danke" unterstrichen werden:

" ... nein danke, mich von Schoß zu Schoß nach vorne drängen
mich in die Mitte alles Mittelprächtigen zwängen
mich an der Seichtheit freuen in die mein Schiff gerät
die Segel von Altweiberseufzern nur gebläht ...

... unter der Fuchtel herrischer Gazetten stehn
und ständig nur das jämmerliche Ziel im Sinn
Hauptsache ist, ich steh' auch irgendwo drin
nein danke, kalkulieren, bangen um die Früchte ... "

Der Titeltrack "Nur nicht nach Haus" erzählt von Lebenslügen und von der bitteren Konsequenz, die auf uns wartet, wenn wir endlich ausgebrochen sind! Wartet dann die Freiheit oder doch nur ...

" ... ein neues Spiel, ein neues Glück ...
    
... doch der Ton ist abgestellt,
ich tanz' den letzten Tango, bis mein Vorhang fällt ... "

Jo, es gibt viel zu hören, packen wir's an, und spätestens bei "Teufel" wird der eine oder andere Grönemeyer-Fan beginnen, Rotz, Wasser und Blut zu heulen, um anschließend seine diesbezügliche Sammlung in den Müll zu geben.
Und wieso, zum Teufel, erinnert mich die dreckige Gitarre permanent, andauernd und ständig an den guten alten Jimi Hendrix ... ?

Bleibt für mich noch, einen Eintrag im Gästebuch der Band zu zitieren. "Was ihr da bringt, hat die Intensität und Authentizität vergleichbar mit den ersten beiden Doors Scheiben! Großes Kino! Steigt nicht wie all die anderen mit Hollywood ins Bett!" Tja, der Mann hat, im Gegensatz zu mir, voll die Ahnung, und deshalb kann ich dem nichts mehr hizufügen.

"Nachts jagen die Gedanken
und die kennen kein Pardon ... "

Fazit: Zeitlos, repektlos, gnadenlos ... aber mit Stil!!!

 

Bewertung:12/12

Thomas Lawall - Juni 2007

 

 

Tracklist:

01. Fee, Fi, Fo, Famm
02. Als ich nach dir mit Händen grub
03. Der Mond scheint golden
04. Mädchen
05. Bastard, Bankert
06. Nachts auf Tour
07. Nein danke
08. Nur nicht nach Haus
09. Es ist lange her
10. reprise
11. Träumer
12. Sie ist klein
13. Teufel

Line-up:

Chris K.: Gesang, Orgel
Ralph B.: Gesang, Trompete
Martin F.: Gitarre, Orgel
Kim K.: Kontrabass
Rüdiger H.: Schlagzeug


www.johnnyliebling.de

 

 

 

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