CD-Review

HIDDEN TIMBRE  "Hidden Timbre" (2007)

Artrock


1993 gegründet, fand die Band 2003 zum derzeitigen Line-up zusammen ... na gut. Weshalb der Beipackzettel von einer Bandgründung 2003 und vom "Debutalbum" spricht, schnalle ich nicht wirklich, denn "Hidden Timbre" ist meines Wissens schon die fünfte Veröffentlichung nach (dem Debutalbum??) Reintonation (1998), "Water" (?) und Timbreland (2003) ...

2004 nahm man mit Anja Bräutigam, die von der Backgroundsängerin zur Frontfrau mutierte (und somit Vorgänger Ralf ablöste) das erste gemeinsame Demo zur eigenen "Standortbestimmung" auf. Die vielbeachtete EP "Leave" wirbelte einigen Staub auf und (nicht nur) die bandinterne Umschreibung, eine "durchwachsene, facettenreiche und diverse EP" produziert zu haben, machte mich neugierig. Leider fand das gute Stück bis heute meinen analogen Postkasten nicht ...

... was aber auch Vorteile hat. Der brandneue Longplayer trifft mich somit recht "unvoreingenommen". Auch nicht schlecht. Also, was einem sofort auffällt, ist die Tatsache, dass einem erst einmal gar nichts auffällt - nämlich eindeutige Ähnlichkeiten in Richtung der zahlreichen Genre-Kollegen. Kein Wunder, denn in welche Kiste man den Sound von HIDDEN TIMBRE packen sollte, fällt schwer, ja - ist ebenso unmöglich wie unnötig.

Die Thüringer haben etwas gegen Langeweile. Diese Abneigung belegen sie mit acht sehr unterschiedlichen Songs. Einerseits belasten sie Progheimer Frickelclimber nicht über Gebühr, andererseits ist die Platte in einem Hördurchgang kaum zu erfassen. Und genau darin liegt das Kunststück. HIDDEN TIMBRE können durchaus kopflastig sein, bedienen aber auch die Beinmuskulatur. Und zwar (scheinbar) so nebenbei, locker vom Hocker und absolut selbstverständlich.

Auf einer unverbindlichen Metal-Grundierung treffen sich Prog- und Artrock, um ihre poppigen Neigungen auf eine harte Probe zu stellen. Einen gemeinsamen Nenner finden sie dabei nicht, aber dies ist ja auch gar nicht vorgesehen! Biedern sich unzählige Protagonisten der musizierenden Zunft den jeweils verfügbaren Trends an, bieten die unkonventionellen Freidenker das diametrale Gegenteil!

Fern aller Konventionen und zwischen allen Stühlen werfen die Art-Pop-Proggies einen fundamentalen Anker ins Gelände, und definieren somit eine neue Tugend. Ich nenne diese einfach mal "intellektuelle Bodenständigkeit". Die Stärken dieser Band sind erstens das Füllhorn an Ideen und zweitens die Ambivalenz der Umsetzung. Darf man hart und trotzdem sensibel sein? Darf man stark und trotzdem zerbrechlich sein? Darf man in Melancholie ersaufen und trotzdem auf den Putz hauen? Darf man sich verkopft verzetteln und trotzdem das Tanzbein schwingen? Fragen über Fragen, doch es gibt eine Lösung. Kann gut sein, dass HIDDEN TIMBRE die Antwort haben ... oder sogar sind.

Bei aller Bewunderung darf ich mir aber auch einen Hauch von Kritik genehmigen. Das ausdrucksstarke Organ von Anja scheint die Band zu halten und/oder zu führen, und dennoch unterstelle ich, dass ihre Intonation noch nicht die vollen Ausdrucksmöglichkeiten erreicht hat bzw. dass sie uns den gesamten Umfang noch vorenthält! Das ist teilweise noch etwas zu brav (die Betonung liegt auf "noch"). Ihre männlichen Kollegen scheinen mir, im Gegensatz dazu, alle nahezu auf 100% zu agieren ... insbesondere das Genie an den Drums!!!

Wenn Anja im nächsten Werk also das Gaspedal bis zum Anschlag durchdrücken sollte, die Karre etwas aggressiver über den Asphalt führen und die eingängige mittlere Spur damit verlassen sollte, dann dürfen wir uns schon jetzt auf einen progressiven Oberhammer (und die volle Punktzahl) gefasst machen. Ich bin mir sehr sicher, wie der Bandname bereits andeutet, dass da noch einiges im Verborgenen liegt. Wir freuen uns drauf ... !

Fazit: Wohl erzogener Art-Prog. Harter Weichzeichner. Hoffnungsschimmer im endlosen Prog-Dschungel.

 

Bewertung 10/12
(Drums: 12/12)

Thomas Lawall - April 2007

 

 

Tracklist:  

1. Matter of Pride
2. At the Crossroads
3. End of Days
4. Tell Me
5. Time to Sleep
6. My World Is Bigger
7. Be Winded
8. DOOM

Line-Up:

Anja Bräutigam: Vocals
Andreas Kaiser: Guitar
Clemens Prescher: Guitar
Mirko Schmidt: Bass
Danny Schmidt: Drums

 

 

 

 

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