CD-Review

GORDIAN KNOT "Emergent" (2003)

Jazz-Art-Rock


Warum sollte ich ins Weltall fliegen? Warum sollte ich in der Unendlichkeit mein Heil suchen? Warum sollte ich in die Tiefen der Meere tauchen? Warum sollte ich unsere Ursprünge durch meine Anwesenheit stören? Es gibt auf unserem unendlich schönen blauen Planeten genug zu entdecken! Mein Leben wird leider zu kurz sein, um alles zu sehen... und um alles zu hören...!

Deshalb freut es mich umsomehr, dass ich mal wieder eine Platte entdeckt habe (nee... Mary war's!), die mir so richtig das Herz und alle Sinne erfreut! So viel musikalischer Abschaum wird täglich aus allen Kanälen geschaufelt, und die blinde und taube Masse überhört das Wesentliche. Wie gewöhnlich...

OK, zum Wesentlichen gehört bei mir neuerdings eine Kapelle mit Namen GORDIAN KNOT. Nie gehört. Zwei Namen auf dem Cover aber sehr wohl! Bill Bruford, der alte YES-Drummer und Steve Hackett, welcher einst der (immer öfter kopierten, aber nie erreichten) Genesis-Ur-Formation seinen Stempel aufdrückte. Schlecht kann das Teil also keinesfalls sein... und nie hätte ich je zu träumen gewagt, diese beiden Namen einmal auf EINEM Cover lesen zu dürfen.

Texte sucht man im Booklet vergeblich, denn diese Mucke braucht keine Worte (Ausnahme die "Additional Vocals" in Track 8, die wohl ebenso als YES-Zitate gewertet werden dürfen, wie ein Bassfragment in "The Brook The Ocean", welches aus "Heart of the sunrise - "FRAGILE" 1971 - geliehen ist).

Dafür gibt es aber eine nicht unbedingt alltägliche Besonderheit nachzulesen. Soli gehen mitunter insofern unter, weil der geneigte Hörer dieselben nicht zuordnen kann bzw. gerne wissen möchte, wer denn nun für die entsprechende Glanzleistung verantwortlich ist! Noch schwieriger wird es bei GORDIAN KNOT, denn in Track 8 "Singing Deep Mountain" sind gleich VIER Saitenvirtuosen am Werk. Who ist also who? Ganz einfach, denn man hat sich die Mühe gemacht, die Soli der Herrschaften tabellarisch aufzuführen. Genial! Somit weiß ich also ganz genau, dass Steve Hackett im letzten Stück zwei Soli abliefert, und zwar von 5:15-5:56 und von 6:22-6:54. Jim Matheos ebenfalls (0:58-1:27 und 1:31-1:46). Jason Göbel ist von 1:56-2:29 mit einem Solo vertreten und Sean Malone verzeichnet drei Positionen (3:45-4:29, 4:48-5:01, 7:52-8:11).

Äh... wo war ich? Ach ja! Wer's also gerne ganz genau weiß, wird auch in den anderen Tracks fündig. Die Bezeichnung "musikalisches Nachschlagewerk" erreicht bei dieser Veröffentlichung eine ganz andere Dimension.

Hmmm... zur Musik ist zu sagen, dass es sich hier zweifellos um eine recht kopflastige Angelegenheit handelt, denn mit dem "Bauch" ist diese immense Größe nicht zu erfassen. Da tut sich rein gar nix. Auf der Couch dafür umso mehr...!

Jo, das kammer jetzt so oder so verstehen. Jedenfalls "fusionieren" hier geistreiche Musikanten zu einer ebensochen Begegnung. Die begnadeten Musiker verzichten dabei aber (weitgehend) auf ein bloßes Schaulaufen ihres Könnens. Sie liefern keine Bilder einer Ausstellung, sondern opfern ihre Fähigkeiten stets dem Gesamtzusammenhang eines einzigen Bildes! Auf einer gewaltigen Leinwand werden alle Grenzen überzeichnet, die es im Jazz- und Art-Rock jemals gegeben hat. Das Bild entwirft ebenso eine progressive Perfektion ("A Shaman's Whisper"), wie einen feinfühligen Monumentalismus ("Singing Deep Mountain"), bis hin zu einer verklärten Entrücktheit ("grace").

Die insgesamt sehr basslastige Ausrichtung bildet dennoch eine gewisse Dominanz, die über allem steht. Das geht aber klar, denn schließlich darf Sean Malone gerne zeigen, wer, sowohl von der musikalischen als auch von der kompositorischen Seite her, im Hause GORDIAN KNOT die Hosen anhat!

Fazit: Künstler-Werkstatt. Kopflastige Reise. Intellektuelles Abenteuer.

 

Thomas Lawall - Februar 2006

 

 

Tracklist:

1. Arsis
2. Muttersprache
3. A Shaman's Whisper 
4. Fischer's Gambit 
5. grace (live)   
6. Some Brighter Thing
7. The Brook The Ocean
8. Singing Deep Mountain

Line-Up:

Sean Malone: Bass, Stick, Guitar, Keys, Ebow, Loops
Jason Göbel: Guitar
Steve Hackett: Guitar
Jim Matheos: Guitar
Sean Reinert: Drums
Bill Bruford: Drums
Sonia Lynn: Additional Vocals (8)

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