DANIELE BRUSASCHETTO "Mezza Luna Piena" (2005)
Avantgarde Pop
... oder so was in der Richtung. Der italienische Musiker mag in der Singer-Songwriter-Ecke verwurzelt sein, allerdings weigert er sich, die Gesetzmäßigkeiten dieses Genres zu akzeptieren. Allein mit seinen elektronischen Soundlandschaften musiziert er weit über alle Grenzen hinweg. "Bandieralvento" ist u.a. so eine Reise. Man möchte aus dieser Unendlichkeit nie mehr nach Hause zurück finden. Einmal gehört, bleibt das entfachte Fernweh eine feste Größe!
Das Label (Bar La Muerte) schickte uns zunächst das fünfte Album des Ausnahmemusikers, obwohl im Dezember 2007 bereits das sechste Werk ("Circonvoluzioni" Dez. 2007) erschienen ist. Vielleicht mit dem Hintergedanken, "Mezza Luna Piena" nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Im deutschsprachigen Raum scheint es tatsächlich niemanden zu geben, der ein paar Worte über dieses Juwel zu schreiben bereit war und ist. Mir völlig unverständlich ... wie so oft!
Die Kompositionen sind ebenso abenteuerlich wie abwechslungsreich. Durchsetzt von einer seltsam schrägen Melancholie führt uns DANIELE BRUSASCHETTO an die Grenzen unserer eingefahrenen Hörgewohnheiten.
Die Platte beginnt mit einem unheilvollen Soundteppich, der uns auf eine imaginäre Bedrohung vorbereitet. Bereits diese Klänge scheinen nicht von dieser Welt zu sein. Kaum ist "Ombre spalmate sui bordi dei pensieri" verklungen, sind wir an fremden Ufern angekommen, steigen ängstlich aus und wundern uns, dass wir offenbar freundlich empfangen werden! Doch diese seltsame Harmonie wird von einem dunklen Grollen gestört. Irgendwo lauern gierige Augen in einer endlosen Dunkelheit, die urplötzlich verschwindet ...
"Nuovi operai" schafft ebenfalls wieder den Spagat zwischen einer naiven Idylle und abgründiger Verzeiflung. Und das mit sehr minimalistischen Mitteln. Man möchte fliehen, doch die Beine reagieren wie in Zeitlupe. Das muss ein Traum sein ... !
Geschickt entzieht sich DANIELE BRUSASCHETTO jedem Versuch einer konkreten Standortbestimmung. Er ist auf dem Radar nicht auszumachen. Kaum glaubt man, ihn "entdeckt" zu haben, ist er schon wieder fort. Hört man ihn beispielsweise in "In limitato contorno" in diffusen musikalischen Widersprüchen verstrickt, verabschiedet er sich in "Ciao bellissima" leichten Fußes, um in "Bandieralvento" der Ewigkeit einen Besuch abzustatten. "Ultima thule" vereint Strukturen, die eigentlich aus Ungereimtheiten bestehen, was "Criptico" durchaus (heftigst) bestätigen kann, aber im elften Track "Ego mangiato crudo 1" in der Flucht in einen experimentellen Folk mündet ...
"Stupido ma sincero" gibt weitere Rätsel auf. Elektronisch verschlüsselt. Unlösbar, aber mit einer unwiderstehlichen Magie behaftet. Das ruhige (9-Minuten-) Finale "Stella stellina" führt uns schließlich auf verwunschenen Wegen mitten ins Licht ... in die große Freiheit.
Vielleicht.
Fazit: Obskure Songs. Verstörender Poet.
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Tracklist:
01. Ombre spalmate sui bordi dei pensieri 02. Dicètecelo 03. Vita sulla terra 04. Nuovi operai 05. Ciao mondo 06. In limitato contorno [cheap philosophy] 07. Ciao bellissima 08. Bandieralvento 09. Ultima thule [kalì je t'aime] 10. Criptico 11. Ego mangiato crudo 1 12. Stupido ma sincero 13. Stella stellina
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Line-up:
Daniele Brusaschetto: All instruments, recording and mixing
www.danielebrusaschetto.com www.myspace.com/brusaschetto
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