CD-Review

ANUBIZ "siebzehn" (2005)

Gothic-Metal


"Erneut erwachte ich in dieser Welt..." und so ganz ohne Vorwarnung fand ich die ebenso lange wie sehnlichst Erwartete im analogen Postkasten. "Siebzehn" Jahr, schwarzes Haar, so lag sie vor mir...

Da ich nach dem dritten Durchlauf das Maul immer noch nicht zu bekam, konterte ich mit dem Vorgänger "leid", weil ich mir einfach nicht mehr anders zu helfen wusste. Sofort war ich wieder in der Realität und konnte erste klare Gedanken fassen...

Was für ein Unterschied! Vor allem die Stimme!! Eva Paschen bildete anno Dezibel sicherlich für die Band, für sich selbst und im Rahmen ihrer Möglichkeiten eine durchaus feste Größe. Mit der neuen Sängerin Carolin Ehrlichmann sind aber keinerlei Vergleiche möglich, denn eine

derartige Progression entzieht sich der seriösen Möglichkeit einer auch nur annähernd realistischen Beschreibung! Das ist so, als wolle man ein sanftes Turteltäubchen mit einem kapitalen Nebelhorn vergleichen. Äh... der Vergleich hinkt jetzt natürlich etwas, aber ich liebe nunmal hinkende Vergleiche. Jedenfalls hat's sich bei ANUBIZ nun endlich ausgepiepst...! Carolin setzt mit ihrer eigentümlich erhabenen Stimmführung (über)deutliche Akzente, verdichtet die trostlose Atmosphäre und taucht somit das düstere Szenario in ein seltsam bedrohliches Halbdunkel. Soll man der faszinierenden Sirene zuhören oder schnellstens die rettende Weite suchen...?

Mit dem Rest der Kapelle verhält es sich ähnlich... nur ganz anders, denn es gibt keinerlei Umbesetzungen. Das ist auch gut so, denn hier gab es die entsprechenden Notwendigkeiten nicht! Dennoch haben die Musikanten ebenfalls für einen unglaublichen Fortschritt in Sachen Nachdruck, Sound und Intensität des Vortrags gesorgt. Man ist etwas fetziger -gleichwohl aber sehr viel differenzierter- und vor allem eingängiger geworden. Scheinbar ein Widerspruch, aber ANUBIZ schaffen mühelos den Spagat zwischen Allgemeinverständlichkeit und Qualität! Und dies ist heutzutage keineswegs selbstverständlich!!

Doch das sind der Worte immer noch zu wenig. Irgendwie ist es gelungen, die Grundidee der Band in allen Bereichen zu veredeln - ja zu vergolden. Ein merkwürdig heller Schein begleitet uns somit in die Dunkelheit und auf die schwarzen Wege, die den Rückweg nicht kennen...

Gleich der erste Track "Ein letztes Mal", weiß durch seine einzigartige Atmosphäre den Hörer umgehend in Einzelhaft zu nehmen! "Mir war, als hätte ich's spüren können..."
Kaum sind die wohligen Schauer verklungen, nimmt uns "Abschied" endgültig mit auf die (letzte) Reise. "Meine Schreie hast du nie gehört..."

Musikalisch gibt es keine Richtungswechsel - Idee und Konzept ähneln den beiden (selbst produzierten) Vorgängern. Geboten wird aggressiver, melancholischer Gothic-Metal, der diesmal zwei Doppelzentner mehr rockt und, wie gesagt, etwas eingängiger rüber kommt. Textlich werden weiterhin dunkelgraue Geschichten geboten, die dem Zuhörer einen (gewollt) großen Spielraum zur eigenen Interpretation lassen. Alles nix Neues, mag der eine oder andere denken, aber die eigentliche Hauptrolle spielt der sehr eigenwillige Stil der Truppe und dieser heißt schlicht "ANUBIZ"! "Wenn manchmal selbst die Engel weinen - Wenn du es brichst, das Glas entzwei..."


Noch immer wird ausschließlich in deutscher Sprache gesungen und auch dazu kann ich ANUBIZ nur beglückwünschen. Wenn man hört, was die Kollegen von NOCTE OBDUCTA oder beispielsweise FJOERGYN an deutschen Texte so auf die Matte werfen, dann darf man sich fragen, wieso sich das nicht mehr Combos trauen. "Das Abendrot umhüllt die Nacht..."

Wenn ich im "leid"-Review von einer "melancholischen Kammer-Oper" gesprochen habe, dann handelt es sich bei "17" um ein ungleich größeres Event! Die wirklich großartige Weiterentwicklung der Band ist mit jedem Ton zu spüren, und nötigt mich, die Scheibe immer und immer wieder aufzulegen, zumal das starke Getön doch etwas abrupt endet und mich somit etwas ratlos im Regen stehen läßt. "Mein Atem haucht auf dein Gesicht - Doch du spürst ihn nicht..."

Meine Anspieltips: Tracks 1-10 im Dauerbetrieb!

Fazit: Vornehmer Gothic-Metal. Wuchtiges Klangwerk. Sehr edel!

 

Thomas Lawall - Oktober 2005

 

 

Tracklist:

01. Ein letztes Mal
02. Abschied
03. Auch Engel weinen
04. Gezeiten
05. Winternacht
06. Sonnenwende
07. Zimmer 17
08. Die fremde Saat
09. Die Tat
10. Schwarzer Schatten

Line-Up:

Carolin Ehrlichmann: Vocals
Jörg Erkelenz: Vocals, Gitarre, Akustikgitarre
Michael Eichhorn: Gitarre
Daniel Fleckhaus: Bass
Jörg Mohr: Keyboards, Samples
Alexander Becker: Schlagzeug
Rico Klawa: Management/Booking

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