quellen
von Ferdinand Schmatz
170 Seiten 1. Auflage 2010 ©2010 HAYMON Verlag Innsbruck-Wien www.haymonverlag.at ISBN 978-3-85218-627-6
Tut mir leid, aber ich werde mich wohl nie an die Kleinschreiberei gewöhnen können. In E-Mails, SMS, Chatrooms & Co. längst etabliert, kann und möchte ich mich in literarischen Werken hiermit nicht begnügen. In meinem persönlichen Empfinden werden sowohl der inhaltliche Wert als auch das optische Erscheinungsbild unserer Sprache unnötig erniedrigt, ja verstümmelt und auf eine (mir) unangenehme Art und Weise abstrahiert. Beispielsweise liest sich ein kleingeschriebener "donner" nicht dem wahren Donner entsprechend - und geradezu paradox sähe "substantiv" kleingeschrieben aus. Für einen, der einst auszog, Germanistik und Philosophie zu studieren, mag diese Form "Kunst" bedeuten, wobei sich sogleich die nicht unbekannte Frage ergibt, wen diese erreichen soll(te) oder überhaupt kann. Doch Ferdinand Schmatz wäre nicht der große österreichische Avantgardist, wenn er auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen derlei Erwägungen nicht ebenso elegant wie konsequent ignorieren würde.
In "quellen" nimmt er uns mit auf eine Reise auf die Donau - wobei derjenige, der hier ein buntes Sammelsurium von Romantisch-Verklärtem erwartet, bitter enttäuscht, ja erschreckt werden wird. Gleich zu Beginn richtet sich der Blick des Autors in einen Garten am vorbeiziehenden Ufer und schon in den ersten Zeilen wird klar, dass eigentlich nichts klar ist:
"er ist, stetig, ein warten ab so wie nie und zu vor, aber spät wird er uns, flutend, sich geben, artig nieder das hoch seiner gräser im nu ..." (aus "garten")
Bei erster flüchtiger Betrachtung mag es denkbar sein, dass einem ein unartiges "hurz" herausrutschen könnte, doch bei näherer Betrachtung erahnen wir immerhin so nicht erwartete Tiefen. Ferdinand Schmatz wagt neue Ausdrucksformen, indem er sich nachvollziehbaren literarischen Einbahnstraßen schlicht verweigert. Die Satzaussagen sind Klängen gleich, die sich mehrschichtig verstecken, um sich selbst und Sprache neu und anders zu definieren. Hieraus ergeben sich Bilderfluten und Stimmungen, die in sehr individuellen Mustern auf den Leser zu wirken versuchen.
Der Autor tanzt und spielt mit Worten und baut eine Welt aus Klang und Licht, die zunächst fremd und andersartig abschreckt, auf der anderen Seite aber tief zu berühren weiß. Es liegt ein seltsames Wogen über alledem, ein Reisen ohne Rast und Ruh, aber auch ein stilles Wähnen und eine tiefgreifende Sicht der Dinge:
"scheu gibt sich mir der blütenden stolz ..." (aus "rose")
Freilich haben derlei intellektuelle Spielereien auch gewisse Nachteile, denn weniger Sprachverliebte werden sich den Zugang in diesen wogenden Stromdom hart erkämpfen müssen oder kläglich scheiternd die Lektüre abbrechen. Denn allzu leicht sucht man vergeblich Sinn und Bedeutung in solchen Worten:
"unter halm tiefe wittert das Ohr nur noch trocken es könnten auch socken," (aus "die wiese")
Der Rezensent hatte ebenfalls die passenden Zugangsdaten nicht immer (sofort) zur Hand, wusste sich aber dahingehend zu helfen, Hoffnung auf den heilenden Faktor Zeit zu richten. Für mich selbst glaube ich nicht, dass es möglich sein oder gar Sinn machen könnte, dieses Werk in einem Durchgang erkunden zu wollen. Vielmehr fordert "quellen" Zeit, Abstand und Ruhe, um seine volle Wirkung entfalten zu können, denn nach solchen Formulierungen möchte man (zunächst) einfach nicht weiterlesen, um die Klangspur nicht zu verlieren - so man eine findet:
"diese flut, alt wieder neu, was wird nun sein um deine wellen - sonne, donner, strähnen, locken?" (aus "donau, taufe")
Mehr Fragen als Antworten scheinen diese Gedichte zu entwickeln, und was den Einen erschrecken mag, öffnet dem Anderen Türen in andere Denkstrukturen. Das Buch geht neue Wege, entwickelt Sprache weiter und wer mitgehen möchte, wird den "Palast der Sprache" künftig mit anderen Augen sehen. Der Blick an die Ufer, die Welt und die Zeit richtet sich (auch) nach innen, auf sich selbst und das Wesentliche. Glücklich der, der es finden mag ...
|