Literatur

Zum ersten Mal die Kraniche
Gedichte


von Klára Hůrková


50 Seiten
© Pop Verlag Ludwigsburg
www.pop-verlag.com
ISBN 978-3-86356-396-7



Die Widmung gleich zu Beginn stellt unmissverständlich klar, worum es in diesem Buch geht, und warum sich im Grunde alles um ein einziges Thema dreht:

"Trauergedichte für meinen Mann Klaus"

Wer sich unvorbereitet mit auf Klára Hůrkovás neueste "Reise" begibt, wird vielleicht mit Betroffenheit reagieren. Andererseits kann sich jede/r darauf einstellen, was nun folgen wird.

Der Einstieg wird aber schwieriger, als zunächst vielleicht gedacht, denn die tschechisch-deutsche Schriftstellerin beginnt in ihrem ersten Gedicht "Fünf vor Mitternacht, 11.1.2023" mit dem wohl schlimmsten Tag ihres Lebens, dem Todestag ihres Mannes:

"Hast du gehört
wie ich dich zurückrufe?"

Der Rezensent weiß seit geraumer Zeit, dass die Autorin nicht um den heißen Brei herumschreibt. Einmal mehr ist es so, dass man in und mit ihren Versen nicht auf eine mühsame Wanderschaft gehen muss, um herauszufinden, um was es hier geht, wer oder was gemeint ist, und was das alles überhaupt zu bedeuten hat. Sie kommt also immer noch ohne allzu kopflastige Rätselpassagen aus, aber mit einer derart schonungslos offenen Art hat selbst er nicht gerechnet!

"Warst du noch da
befreit und im Licht
wie es in den Büchern steht?"

Es ist nicht schwer zu erkennen, in welchem seelischen Zustand Klára Hůrková die ersten Monate nach dem Tod ihres Mannes verbrachte, wobei das völlig unerwartete Ereignis die Situation zusätzlich erschwerte. Man wird in eine Rolle hineinkatapultiert, die man vorab nicht proben konnte. Ohne Vorwarnung ist nichts mehr, wie es vorher war. Fast ist es egal, was man tut, unternimmt oder versucht, sich irgendwie abzulenken, schreibt sie am 06.02.2023 in "Ich verdränge", denn:

"Irgendwo in der Ecke
lauert die Große Trauer."

Sämtliche Gedichte sind datiert, was den Beginn und Fortgang der neuen Zeitrechnung noch genauer dokumentiert. Selbst vermeintlich banale Alltagssituationen verwandeln sich in ebenso neue wie schmerzhafte Erfahrungen, wenn man sie fortan alleine erlebt und nicht mehr teilen kann:

"Man sagt
das erste Jahr wird deshalb
am schlimmsten sein
weil es so viele erste Male
ohne dich geben wird"

("Heute habe ich dich")

Die ersten Versuche einer "Akzeptanz" finden wir in "Die Zeit fließt zäh".
Funktionieren will das aber nicht. Unzählige Rezepte dazu sind im einschlägigen Sachbuchbereich zu finden, aber warum soll man das Unvermeidliche (so schnell) akzeptieren und weshalb soll man jenen, den man liebt, überhaupt loslassen?

Man wird doch sowieso permanent an den geliebten Menschen, den man verloren hat, erinnert. Egal, ob es jene "Kieselsteine aus der Normandie", ein Paar "alte Hausschuhe" oder eine Widmung in einem Buch sind.

Klára Hůrkovás Bücher sind alle etwas Besonderes, und dennoch weiß "Zum ersten Mal die Kraniche" dieses Prädikat noch zu steigern. Sterben müssen wir alle, aber die unmittelbar Betroffenen stürzt es trotzdem in eine Ausnahmesituation. Davon schreibt sie und lässt dabei nichts aus.

Niemals durften Leserinnen und Leser so nah an ihrem Seelenleben teilhaben. Unmissverständlich, sehr persönlich und glasklar, so wie sie nun mal ist und schreibt. Grenzenlosen Mut hat sie damit bewiesen und so nebenbei den Rezensenten, dem nun die Worte ausgehen, an seine Grenzen geführt.

Fazit: "Zum ersten Mal die Kraniche" ist ein ehrendes Andenken und ein Zeugnis dafür, wie man sich dem Unvermeidlichen ohne wenn und aber stellen kann. Einen würdigeren Nachruf kann es nicht geben..

 

Thomas Lawall - Juli 2024

 

 

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