Literatur

Zero

von Marc Elsberg


496 Seiten
© Marc Elsberg, vertreten durch
Literarische Agentur Michael Gaeb
© der deutschsprachigen Ausgabe 2014
by Blanvalet Verlag, München
www.blanvalet.de
ISBN 978-3-7341-0093-2



Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, kommt Cynthias Vorliebe für gedankliche Spielereien vielleicht bekannt vor. Umgeben von wildfremden Menschen versucht die Journalistin sich vorzustellen, welcher beruflichen Tätigkeit sie wohl nachgehen und wie sich ihre privaten Verhältnisse wohl darstellen mögen.

Neuerdings ist sie in der Lage, die Ergebnisse ihrer so beliebten Ratespiele zu überprüfen. Während der Liveübertragung eines Drohnenangriffs auf den amerikanischen Präsidenten verteilte Anthony Heast, Chefredakteur des Daily, die Rollen für einen diesbezüglichen Bericht und gleich noch drei "Cyberbrillen" zum Testen dazu. Schließlich wäre das die Gelegenheit, die Geschichte "modern zu präsentieren".

Der erste Versuch mit der Brille verwirrt und erstaunt sie zugleich. Über ihre Stimme erfolgt die Eingabe, kleinste Bewegungen ihres Kopfes und der Augen erledigen den Rest. Tonsignale werden über den Bügel geleitet. Was sonst auf dem PC-Monitor oder Touchscreen erscheint, wird nun auf die Gläser projiziert. Daten aller Art können abgerufen werden, doch der Clou ist die Gesichtserkennung.

Mit der entsprechenden Software ausgestattet und mit der Plattform "Freemee" synchronisiert, ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten. Fremde im Bus oder auf dem U-Bahnsteig haben plötzlich einen Namen. Auch persönliche Daten werden von der Gesichtserkennung automatisch zugeordnet. Doch wie sieht die andere Seite aus? Wer ist mit der gleichen Technik ausgestattet? Sind auch ihre persönlichen Daten in aller Öffentlichkeit für viele sichtbar?

Der ersten Faszination folgt die Angst, unzählige Augen könnten sie beobachten. Ihr vorläufiges Fazit "Willkommen in Paranoia." Jene Ereignisse sind aber erst der Anfang, denn welche Stilblüten die totale Überwachung treiben könnte, wagt Marc Elsberg sich in vielschichtiger Romanform vorzustellen.

Wieder einmal wird eine technische Entwicklung, neben einer möglichen sinnvollen Nutzung, von den prinzipiell immer gleichen Köpfen und deren Machtstrukturen missbraucht, um größtmöglichen Profit zu erzielen und Macht, diesmal grenzenlos, auszudehnen.

Den jetzt schon bekannten Möglichkeiten fügt Marc Elsberg ein paar durchaus logische Mosaiksteine hinzu, welche in der Addition eine ebenso komplexe wie beängstigende Zukunftsvision ergeben.  

"1984" von George Orwell war der erste Roman, der vor der totalen Überwachungsgesellschaft warnte. "Zero" geht noch einige Schritte weiter und übertrifft damit schlimmste Erwartungen.

"Zero" ist anspruchsvolle Science Fiction mit topaktuellem Bezug, weshalb auch die im Oktober 2016 erschienene Taschenbuchausgabe mit einem "Update" im Anhang ausgestattet wurde. Wie lange die beschriebenen Szenarien, ob mit oder ohne Cyberbrillen, noch "Fiktion" sind, bleibt abzuwarten. Im schlimmsten Fall werden wir uns auf eine überschaubare Wartezeit einstellen können.

 

Thomas Lawall - Januar 2017

 

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