Wunschnovelle
von Bernadette Németh
184 Seiten © edition lex liszt 12 www.lexliszt12.at ISBN 978-3-99016-270-5
Hugo "Müri" Mühlbach ist Pianist. Während eines Konzerts im Wiener Musikvereinssaal tut sich unerwartet Seltsames. Ein diffuses Gefühl der Angst stellt sich ein und versetzt ihn in die Zeit der Fieberschübe seiner Kindheit. Von einem befreundeten Arzt in Wien verspricht er sich Aufklärung und Hilfe.
Luisa ist mit ihrem Leben alles andere als zufrieden. Die ehemalige Eiskunstläuferin arbeitet nach einem Studium der Publizistik bei der Musikzeitschrift "Tonspuren" als Journalistin. Dies lenkt sie von der Erkenntnis ab, ein "hohles Gefäß" geworden zu sein, "für ihren Mann, aber auch für das Leben".
Das, was die kurz vor ihrem 38. Geburtstag stehende Luisa fühlt und erlebt, dürfte bei weitem kein Einzelfall sein. Diese Figur steht stellvertretend für viele Frauen, deren Lebensentwurf sich allmählich in seine Bestandteile auflöst. Und wenn man ganz unten liegt, fällt das Aufstehen besonders schwer, geschweige denn, aus dem bestehenden System auszusteigen. Viele Frauen dürften davon ein Lied singen können. (Apropos Lied: Ein gewisser Bezug besteht zu einer Komposition des US-amerikanischen Komponisten Shel Silverstein, worauf die Autorin am Ende [zu] kurz eingeht.)
Bleischwer und niederschmetternd gestalten sich die ersten Seiten der Geschichte, denn hier treffen sich Fiktion und Realität auf unangenehme, aber authentische Weise, da das Thema Doppelbelastung ja nicht nur im Roman viele Frauen umtreibt. Neben dem Beruf gibt es immer noch die Hausarbeit, jene "unterbewertete Schufterei, die dann doch immer an den Frauen hängenblieb". Für Luisa ist es aber leider nicht das einzige Problem.
Aber auch für Hugo stehen die Zeichen der Zeit unter keinem guten Stern, aber wie es das Schicksal so will, kreuzen sich ihre Wege. Diese Wegkreuzung gestaltet sich wie eine Szene aus einem Hollywoodstreifen. Man könnte das auch als einen arg konstruierten Zufall nennen, doch wer alt genug ist, weiß, dass sich im "wahren" Leben mitunter ganz andere Zufälle ergeben.
Ab jetzt überschlagen sich die Ereignisse jedenfalls, was Bernadette Németh sehr gut und ausführlich in Szene setzt. Mit treffsicheren Charakterisierungen spart sie nicht, und mit ihrer Neigung, das Seelenleben ihrer Hauptpersonen in eine Flut von Metaphern zu kleiden, erst recht nicht, wobei sie allerdings manchmal leicht über das Ziel hinausschießt.
Das drückt sich dann beispielsweise in etwas zu schwülstig geratenen Formulierungen wie "Eispickel der Gelegenheit", "die Flamme dieses Gesprächs", "Strudel der Erregung", "lustschwere Krämpfe" oder gar eine Selbstkontrolle, die aus den "letzten Fesseln" flieht, aus, was den Rezensenten in aller Regel zum Abbruch einer Lektüre nötigt.
Wenn da diese Geschichte nicht wäre! Und diese hat wahrlich viele Höhepunkte, die dann doch überwiegen und gleichzeitig zum Weiterlesen geradezu zwingen. Die großen Momente ergeben sich beispielsweise aus einer Rückblende auf das Zerbrechen Luisas erster Liebe und deren fatale Folgen, der Erkenntnis, "diese verfluchte Dankbarkeit" nicht mit Schuldgefühlen zu verwechseln, Luisas seelischer Verfassung während ihrer Schwangerschaft, oder einer weiteren Rückblende, welche sehr bewegend Bezug auf die unglückliche Ehe ihrer Eltern nimmt.
Einerseits schreibt die Autorin sehr geradlinig und unkompliziert, was im Gegensatz dazu für die Geschichte keineswegs gilt. Eine Unterteilung in mehr als drei große Kapitel ist nicht möglich, denn sie wechselt ständig sowohl die Zeitebenen als auch die Erzählperspektive, die hauptsächlich ihre beiden Hauptdarsteller Luisa und Hugo gestalten. Hierbei spielen perfekt ausbalancierte Dialoge eine tragende Rolle, während das "Unausgesprochene" in diesem Kammerspiel zu dominieren scheint.
"Wunschnovelle" erzählt vom Scheitern, von Fluchtwegen, und zeichnet das beeindruckende Bild zweier Menschen, deren Lebensentwürfe mehr und mehr Risse bekommen. Eigentlich ist wenig oder gar nichts mehr von den einstigen Träumen und Erwartungen übrig geblieben. Ein Neubeginn wäre das Gebot der Stunde.
Ein Zufall und die Folgen. Szenen einer Begegnung.
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