Literatur

Winzig
Innovative Häuser im Mini-Format


von Sandra Leitte


224 Seiten
2. Auflage 2017
© 2016 Deutsche Verlags-Anstalt, München
www.dva.de
ISBN 978-3-421-04023-7



Der Schein trügt. Mitunter sogar recht heftig. Das "Refugi Lieptgas" (Schweiz) scheint eine ganz normale Waldhütte zu sein. Jedenfalls von weitem betrachtet. Gut, die Farbe des "Holzes" scheint etwas ausgebleicht zu sein, was sich aber letztlich optimal in die verschneite Winterlandschaft einpasst. Fast zu gut eigentlich ...

Doch bei näherer Betrachtung ergeben sich gleich mehrere Besonderheiten, die zunächst überhaupt nicht auffallen. Der Blockhüttencharakter ist nicht zu übersehen, aber irgend etwas scheint hier nicht zu stimmen. Graue Stämme gibt es eigentlich nicht und solche, die sich nach innen wölben schon gar nicht.

Des Rätsels Lösung ist wahrlich verblüffend. Die vermeintliche Holzstruktur entpuppt sich als eine Betonkonstruktion! Die vorhandenen alten Hölzer wurden dazu als Verschalung verwendet, wodurch "ein negatives Abbild der alten Almhütte" entstand. Auch das Innenleben, hochmodern, aber sehr minimalistisch gestaltet, passt sich der natürlichen Umgebung, auch und besonders farblich, perfekt an.

Allein dieses Projekt, welches als Ferienwohnung vermietet wird, rechtfertigt den Kauf dieses Buches und belohnt diejenigen, welche sich für kleine, aber kreative Behausungen interessieren, ganz besonders, auch wenn das (die nächste Überraschung!) zweistöckige Gebäude mit 35m² nicht gerade "winzig" erscheint.

Doch es geht natürlich noch viel kleiner, was eine bulgarische Architektin bewiesen hat. 9m² sind nicht wirklich viel, doch eine großzügige Verglasung in Verbindung mit einer Raumhöhe von 2,40m vermitteln das Gefühl, das Refugium sei größer, als es wirklich ist. Zudem steht "Koleliba" auf Rädern und ist damit ortsungebunden, ohne dabei jedoch auch nur im entferntesten wie ein Wohnwagen auszusehen.

Was Redakteurin und Lektorin Sandra Leitte an Innovationen und Kuriositäten zum Thema "Downsizing" zusammengetragen hat, kann sich sehen lassen. Die vorgestellten Projekte ergänzen sich in keinster Weise, denn sie sind, jedes für sich, ein in sich geschlossener Höhepunkt. Vergleichbar ist hier gar nichts. Dazu sind die Häuser in ihrem Wesen viel zu individuell und einzigartig, egal ob es sich um ein schwimmendes, eiförmiges Holzhaus in Großbritannien handelt, Bambushütten in Modulbauweise in Vietnam oder um einen ganz speziellen Hundesalon in Japan.

Und sobald man denkt, es gäbe keine Steigerungen mehr, wird man auch hier wieder korrigiert. "Winzig" hat nicht nur ein Ass im Ärmel. Noch einmal geht es um eine "Hütte im Wald", die mit der schon zitierten allerdings in keinerlei Zusammenhang steht. Wie ein Ding aus einer anderen Welt sieht sie aus. Dinge gibt's, die gibt's gar nicht ...

Gegen Ende des Buches werden die Behausungen aber immer größer und scheinbar luxuriöser, was mit der Titelgebung nicht mehr unbedingt im Zusammenhang steht. Mit dem Verzicht auf kompliziert-verschnörkelte Formengebung, verschachtelten und unnütz umbauten Raum und der damit verbundenen Anhäufung von Dingen und Materialien, die man zum Leben prinzipiell gar nicht braucht, stimmt aber die Grundrichtung wieder. 

Wie auch immer: Verblüffung und Erstaunen geben sich bei der Lektüre dieses Büchleins die Hand und wenn einem erst einmal klargeworden ist, was mit etwas Phantasie und (relativ) wenigen Handgriffen entstehen kann, wird man eventuell anliegende Bauvorhaben auf jeden Fall noch einmal grundlegend überdenken.

 

Thomas Lawall - Januar 2018

 

 

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