Literatur

Wildwuchs

von Berndt Schulz


384 Seiten
Genehmigte Lizenzausgabe für die
Gmeiner-Verlag GmbH
www.gmeiner-verlag.de
© 2013 dotbooks GmbH, München
1. Auflage 2016
ISBN 978-3-8392-1887-7



Viele halten sich für "cool", so auch Rüdiger Mellig. Er sollte sich irren, denn eine entsetzliche Realität sollte ihn eines besseren belehren. Rüdiger hat seiner Frau, die in einem abgelegenen Ausflugslokal arbeitet und demnächst Feierabend hat, etwas dringendes mitzuteilen. Deshalb fährt er kurz nach Mitternacht los, um sofort mit ihr zu sprechen und sie abzuholen.

Er weiß jetzt die Lösung für ihre Beziehungsprobleme und ist sich sicher, dass er sie zurückgewinnen kann. Gegen ein Uhr ist er angekommen, steigt aus seinem Wagen, aber irgend etwas scheint nicht in Ordnung zu ein. Es ist still im Lokal, zu still. Was er entdeckt, kann er zunächst weder glauben noch fassen ...

Nach und nach treffen Beamte der Kripo Frankfurt, der zuständige Gerichtsmediziner sowie ein Staatsanwalt ein, um den großräumig abgesicherten und mit Halogenscheinwerfern beleuchteten Tatort zu untersuchen, der einem "Außenposten auf einem fremden Planeten" gleicht. Doch sehr bald wird Hauptkommissar Pauli klar, dass es sich hier keineswegs um Science Fiction handelt ...

Berndt Schulz nimmt sich alle Zeit der Welt, um eine Geschichte aufzubauen, die mit einer Komplexität überrascht, die man von einem "Gartenkrimi" nicht unbedingt erwartet. Pauschal gesagt sind diese regional angehauchten Kriminalromane nicht selten flach gestrickt - das erfreuliche Gegenteil findet man in "Wildwuchs".

Man wird nicht ständig mit irgendwelchen Banalitäten konfrontiert, sondern lernt beispielsweise die Täter, sogar vor dem eigentlichen Verbrechen, kennen, wobei die tatsächlichen Motive zunächst dezent im Hintergrund gehalten werden. Damit und nicht zuletzt durch den vielschichtigen Aufbau der Geschichte und den damit verbundenen Szenenwechseln, entsteht eine Spannung, die sich mitunter fast bis ins Unerträgliche dehnt.

Mit diesem Aufbau auf verschiedenen Ebenen erreicht der Autor einen gewissen Drehbuchcharakter. Es entstehen tatsächlich Bilder wie in einem handfesten Thriller, die beim Leser den Eindruck entstehen lassen, sich nicht in einem Lese-, sondern in einem Kinosessel zu befinden.

Doch Berndt Schulz hat (noch) mehr zu bieten, denn als Gegenstück zur großen Action, die er so beschreibt, wie Quentin Tarantino Regie führt, hat er die Figur des 70jährigen Hauptkommissars a.D. Max Horner entwickelt. Der passionierte Gärtner ist ebenso stur wie eigensinnig. Der "Stöberhund" ist mit seinen konservativen Ermittlungsmethoden während seiner vielen Dienstjahre nicht überall auf Zustimmung gestoßen.

Von Profilern hält er ebenso wenig, wie von personalintensiven Sonderkommissionen. Er verlässt sich stets auf Instinkt und gesunden Menschenverstand. Im eigenen Garten sowie in den Gartenanlagen rund um Frankfurt findet er zusätzliche Inspiration - "Man fühlt, wie sehr man mit dem Leben verbunden ist" - zudem ist er mit zwei ganz besonderen Beratern gesegnet - seinem Hund "Wallander" und seiner verstorbenen Frau Terttuu, die ihm "aktiv" zur Seite stehen.

Ohne sie macht sein Leben wenig Sinn. Jeden Morgen muss er deshalb einen Plan entwickeln, "wie er mit dem Tag fertig werden würde. Wie jeden Tag." Doch sich verbotenerweise in den vielleicht größten Mordfall der Frankfurter Kripo als Ermittler einzuschalten, gibt ihm Oberwasser und einen Aufschub auf dem Weg zum unvermeidlichen Ende.

Ein sehr ambivalenter Roman. Herz und Bodenständigkeit treffen auf Abgründe. Viel mehr als nur gute Unterhaltung!

 

Thomas Lawall - Juli 2016

 

Für Fragen, Kritik und Anregungen steht unser Forum zur Verfügung

Home News Literatur Gedichte Kunst Philosophie Schräg Musik Film Garten Küche Gästebuch Forum Links Impressum