Literatur

Wildes Erwachen
Krals dritter Fall


von Rainer und Birgit König


240 Seiten
© Sutton Verlag, 2012
www.sutton-belletristik.de
ISBN 978-3-86680-962-8



Mehr als einen Slip hat sie nicht an, als sie sich die Zähne putzt und die Zimmertür langsam aufgeht. Igor, auch Dschingis Khan genannt, ist nicht gerade gut gelaunt. Während er sie vom Spiegel wegzieht, schreit er sie an, sie möge sich doch einmal anschauen. Nur noch wenige Freier würden auf sie abfahren, was sich negativ auf den Umsatz auswirken würde. Ihr Argument, dass manche Freier es mollig mögen, lässt er nicht gelten. Er will eine umgehende Umsatzsteigerung und droht mit dem Bunker. Swetlana weiß, was das bedeutet. Noch ahnt sie aber nicht, dass sich auf der anderen Seite der Grenze Hilfe formiert.

Jan Kral macht sich reisefertig. Seine Frau ist nicht gerade begeistert, dass er einen Puff besuchen will. Das könnte Gerede geben, zumal die beiden durch einige Abweichungen von den gesellschaftlichen Normen in der Vergangenheit schon mehrmals Gesprächsgegenstand der wachsamen Nachbarschaft gewesen waren. Der Selber Lehrer und Gelegenheitspolizist hat im Moment aber ganz andere Sorgen. Wen soll er bei seinen verdeckten Ermittlungen mitnehmen? Er weiß nur zu genau, dass man ein Freudenhaus niemals alleine besuchen sollte. Zu groß sind die Risiken, ausgenommen zu werden oder in körperliche Auseinandersetzungen verwickelt zu werden. Da ein Kollege als Begleiter von vornherein auszuschließen ist, kann ihm eigentlich nur einer helfen: Ludwig Liebermann. Der erfolgreiche Versicherungskaufmann kennt sich im Milieu aus, insbesondere in der Nachbarstadt Asch ...

Hintergrund ist ein nächtlicher Überfall auf das Selber Frauenhaus. Alena Smirnov, eine Prostituierte aus Tschechien, die über die Grenze geflüchtet war, wurde wahrscheinlich von einem Zuhälter entführt. Die Ereignisse im fränkisch-tschechischen Grenzgebiet überschlugen sich insofern, als kurz danach zwischen Mühlbach und Wildenau ein erschossener Unbekannter gefunden wurde. Ein Zusammenhang wurde zunächst nur vermutet, doch die per Hubschrauber abgeworfenen Kleidungsstücke der vermissten Prostituierten brachten die zuständigen Ermittler einen Schritt weiter. Ein Polizeihund nahm sofort Witterung auf, womit zumindest bewiesen wurde, dass die aus dem Frauenhaus Entführte im Wagen gesessen hat ...

Die Spuren führen eindeutig nach Tschechien, wo dann die Probleme erst richtig beginnen. In gewissen Kreisen hat man offenbar schnell Wind davon bekommen, dass Ermittlungen anstehen könnten. Vorsorglich hat man den zuständigen Polizeioffizier Kapitän Josef Brückner, auch "kapitán Švejk" genannt, mit einer ebenso heiklen wie erfundenen Story denunziert, was eine sofortige Suspendierung zur Folge hat. Seinem deutschen Kollegen, Hauptkommissar Schuster von der Hofer Kriminalpolizei, sind ebenfalls die Hände gebunden. Verdeckte Ermittlungen im Ausland sind undenkbar und die Umsetzung eines Amtshilfeersuchens kann dauern. Folglich bleibt nur Hilfspolizist Jan Kral, der einmal mehr, als ehem. Mitarbeiter des "Gemeinsamen Polizei- und Zollzentrums", seine Spürnase aktivieren kann. Ein nicht ganz ungefährliches Unterfangen ...

Rainer König beschreibt die Figur des in Tschechien geborenen Oberstudienrats mit sehr viel Witz und Selbstironie. Trotz der Liebe zu seinem Beruf, nutzt er sich bietende Gelegeheiten gerne aus, um dem Trott aus "Leistungskontrollen und Notenproduktion", zeitweise zu entkommen, wobei er dies gerne abseits der Norm und auf nicht alltäglichen Wegen tut.
Der in Selb im Fichtelgebirge lebende Autor steht seinem Protagonisten Jan Kral insofern sehr nahe, als eventuelle Ähnlichkeiten mit ihm "nicht völlig zufällig" sind!

Josef Brückner, ein tschechischer Polizeioffizier mit deutschen Wurzeln, sowie der Hofer Hauptkommissar Schuster sind weitere Hauptdarsteller in seiner Kriminalgeschichte rund um den grenzüberschreitenden Frauenhandel, wobei Rainer König in Sachen Recherche von kriminaltechnischen Angelegenheiten wieder kongenial von seiner Tochter Birgit König unterstützt wird.

Sehr schön in Szene gesetzt sind die drei sehr unterschiedlichen Charaktere der Hauptfiguren, wobei Probleme hier selbstverständlich nicht ausbleiben. Fast zwangsläufig muss der Autor auch das nicht immer ganz unproblematische Verhältnis zwischen Deutschen und Tschechen streifen. In dieser Sache wird hin und wieder gerne von beiden Seiten kräftig ausgeteilt, indem mit den üblichen Vorurteilen nicht gerade sparsam umgegangen wird. Man kennt sich allerdings schon zu lange und zu gut, so dass schwerwiegende Folgen im "deutsch-tschechischen Porzellanladen" nahezu ausgeschlossen sind.

Die unterschiedlichen Ansätze, mit dem Halbweltmilieu diesseits und jenseits der Grenze umzugehen, sind sehr schön herausgearbeitet. Humor, landschaftliche Details und politische Seitenhiebe gestalten "Wildes Erwachen" neben der Haupthandlung als eine sehr lebendige und abwechslungsreiche Krimi-Lektüre. Schön auch zu hören, dass dem Selber Aushilfsermittler die Fälle nicht ausgehen werden, denn das erfolgreiche Schreib-Duo arbeitet längst am vierten Fall!

 

Thomas Lawall - Juli 2012

 

 

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