Literatur

Wer zu uns kommt, hat das Gröbste hinter sich

von Peter Wilhelm


272 Seiten
© 2013 bei Knaur Taschenbuch
www.knaur.de
ISBN 978-3-426-78623-9



Zwei Männer sind auf dem Weg zum Friedhof. Mitten in der Nacht. Der eine ist sich seiner Sache nicht sicher, während der andere das Friedhofstor aufschließt, welches auch noch passend zu Vollmondnacht schauerlich nach ein paar Tropfen Öl ruft. Schnell ist der Sarg mit Eleonore Nottbuschs Leichnam gefunden und jetzt wird es ernst.

Herr Nottbusch hatte am späten Abend beim Bestattungsinstitut geklingelt, um einem spontanen Bedürfnis nachzukommen. Ihn überkam der unbändige Wunsch, seine geliebte Nora noch einmal zu sehen, die an einer Krebserkrankung gestorben ist. Bestatter Peter Wilhelm ist nicht begeistert, zeigt aber Verständnis für sein Anliegen.

Die Beerdigung steht unmittelbar bevor, weshalb sich der Leichnam schon in den entsprechenden Räumlichkeiten auf dem Friedhof befindet. Der Sarg ist bereits verschlossen, weshalb der Bestatter die Deckelschrauben aufdreht. Etwas nervös ist er ebenfalls, da er sich nun daruf verlassen muss, dass seine Mitarbeiter "die Verstorbene ordentlich zurechtgemacht" haben. Dies scheint der Fall zu sein, denn im hereinfallenden Mondlicht erblickt er eine wunderschöne Frau. Ihr Ehemann kann nun Abschied von ihr nehmen. Im Nachhinein sollte sich diese Aktion als "kleines Wunder" herausstellen ...

Weniger ein Wunder kann das plötzliche Verschwinden eines Grabes bedeuten, zumal sich die Begeisterung der Angehörigen in engen Grenzen hält. Zunächst jedenfalls. Zum Glück gibt es aber ungemein kompetente Friedhofsverwalter, die sich um derlei Ungemach kümmern. Fatale Irrtümer können schon mal vorkommen. Unerwartete Einigungen ebenfalls ...

Auch für das Problem von Opa Lausitzer sollte eine Lösung gefunden werden. Er starb als bettelarmer Mensch ohne Angehörige, doch er hatte zwei Freunde. Diese verhinderten, dass er in einem anonymen Urnengrab verschwinden würde. Die Familie Kroppers konnte die Mittel für ein eigenes Grab für Opa Lausitzer zwar ebenfalls nicht aufbringen, doch in diesem Fall fanden alle Beteiligten eine außerordentlich unkonventionelle Lösung ...

Der etwas flapsig formulierte Haupttitel des Buches täuscht über die Ernsthaftigkeit des Inhaltes zunächst hinweg. Ich erwartete eine Art locker und massenkompatibel formulierten Klamauk und keinesfalls eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem gegebenen Thema. Eine sensible schon gar nicht, weshalb mich das Buch in jeder Hinsicht positiv überraschte.

Trotz aller Seriösität sitzt dem Autor der Schalk im Nacken. Selbstverständlich bleiben alle genannten Personen anonym, werden jedoch, wenn es die jeweiligen Umstände erlauben, mit mehr oder weniger überdrehten Namen, wie beispielsweise ""Birnbaumer-Nüsselschweif", "Willi Pommerenke" oder "Ereminus Lohdenhos" ausgestattet.
 
Zudem besitzt Peter Wilhelm eine gesunde Distanz Menschen gegenüber, die sich im Angesicht eines ernsten Hintergrundes nicht zu benehmen wissen und das beauftragte Bestattungsinstitut vor schier unlösbare Aufgaben stellen, nur um den Geltungsdrang ihrer eigenen Person zu unterstreichen.
Dies findet dann in seiner etwas schärferen Wortwahl Ausdruck, und jene wirklich haarsträubenden Geschichten nehmen dann jeweils auch etwas mehr Raum ein.

Auf der anderen Seite beweist "Deutschlands bekanntester Bestatter" in wirklich tragischen Momenten eine bewundernswerte Sensibilität und geht damit weit über den eigentlichen Aufgabenbereich eines Bestatters hinaus. Damit gelingt ihm mit "Wer zu uns kommt, hat das Gröbste hinter sich" nicht nur eine unterhaltsame Lektüre, sondern auch das Kunststück, die allgemeinen Vorstellungen vom Berufsbild des Bestatters grundlegend zu korrigieren!

 

Thomas Lawall - Januar 2014

 

 

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