Literatur

War's das schon?
55 Versuche, das Leben und die Liebe zu verstehen


von Frank Jöricke


208 Seiten
© Solibro Verlag, Münster 2019
www.solibro.de
ISBN 978-3-96079-063-1



Endlich mal jemand, der sich nicht mit dem Thema "Helikoptereltern" im Allgemeinen, sondern mit "Helikoptervätern" im Besonderen beschäftigt. Das Loblied im Fazit teilweise vorweggenommen, möchte der Rezensent unterstreichen, dass Frank Jöricke die Leserschaft allein im Kapitel "Liebe um Nachwuchs" geradezu nötigt, jene Zeilen gleich mehrmals zu lesen.

Ach was lesen, eher genießen! Schließlich soll das Buch eine Art Lebenshilfe darstellen. Hilfreich ist beispielsweise, seine Feinde genau zu kennen. Mitunter muss man sie gar nicht lange suchen. Zumindest nicht, wenn einer der Hauptfeinde in einem selbst lebt: Das schlechte Gewissen.

Was es früher, zumindest in der Erziehung der Kinder, nicht gab, erlebt heute einen beispiellosen Aufschwung. Die einst so klar abgesteckten Reviere existieren heute nicht mehr. Vorbei ist es mit dem, vom Kinderlärm abgeschotteten, gemütlichen Feierabendbierchen. Kinder sind "Projekte" und wollen als solche behandelt werden. Ständig, aber wohldosiert, um ja dem Wunderland der kindlichen Psyche keinerlei Belastungstests zuzumuten. Selbst "die Auswahl der Spielsachen erfolgt so akribisch, als würde man Plutonium anreichern".

Herrlich, wie der Autor die unterschiedlichsten Themenbereiche mit dem von ihm gewählten Motto in Bezug bringt bzw. es "versucht". Da wären beispielsweise die "Wanderprediger der Sekten BAP und U2", Warnungen vor sozialen Netzwerken, Partnerportalen, dem "Zuchthaus Ehe" oder "Frauen zum Abgewöhnen".

Die satirisch überspitzten Betrachtungen sitzen aber nicht immer und driften nicht selten in Pauschalisierungen ab. Nicht zu Ende gedacht ist vielleicht, ein gewisses Dilemma einer ganzen Generation zuzuordnen, oder ein ganzes Jahrzehnt als "verloren" zu deklarieren, noch dazu auf jeweils drei bis vier Seiten.

Weit hergeholt ist auch, ausgerechnet lokalpatriotische Liedchen der Toten Hosen, Herbert Grönemeyer oder Udo Lindenberg in Bezug zu setzen mit einer Geringschätzung fremder Kulturen. Die sog. Informationsflut muss ebenfalls mal wieder an den Pranger. Witzigerweise kränkelt dieses Buch ebenfalls an einem Übermaß an Informationen, welche dann zeitgemäß auch noch "interaktiv" verschachtelt werden. Was für'n Stress.         

Lebenshilfe also? Dies muss, trotz der Brillanz des Buches, in Frage gestellt werden. Zuerst müsste einmal geklärt werden, ob der Menschheit überhaupt noch zu helfen ist. Das Leben oder gar die Liebe verstehen zu wollen ist ein ehrenwertes Ziel. Dieses Buch hilft letztendlich aber, in diesem Sinne, auch nicht weiter.

Ist auch völlig wurscht. Zu viele Fragen stellen, die niemand beantworten kann, ist eh vergeudete Lebenszeit. Diese ebenso unterhaltsame wie geistreiche Lektüre allerdings keineswegs.

 

Thomas Lawall - Februar 2020

 

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