Vom Leben im Totholz Die verborgene Welt von Insekten und anderen Lebewesen
von Thomas Hörren
192 Seiten © 2025 Residenz Verlag GmbH www.residenzverlag.com ISBN 978 3 7017 3620 1
Von der Empfehlung, den einen oder anderen Totholzhaufen im Garten anzulegen, haben aufmerksame Gärtnerinnen und Gärtner sicher alle schon einmal gehört. Insbesondere jene vielleicht, die auf der Liste der Mitglieder eines Gartenbauvereins stehen.
Das heißt jedoch nicht, dass alle diesem guten Rat folgen wollen, denn nicht selten spielt "Ordnung" die erste Geige im Zier-, Nutz oder Schrebergarten. Zudem hegt man die Befürchtung, eine Menge "Schädlinge" anzulocken, die das wohlbehütete Idyll zerstören könnten. Das ist natürlich nicht der Fall, was auch der Rezensent bestätigen kann.
Insgesamt befinden sich sieben Totholzecken und -zäune, einiges wahllos verteiltes altes Geäst, sowie ein über 100jähriger morscher Apfelbaum in seinem Garten. Was er aber tatsächlich nicht wusste ist das ganze Ausmaß der Nützlichkeit dieses "toten" Materials, weshalb er fortan diesem Thema noch weitaus mehr Aufmerksamkeit schenken wird.
Was sich schon fast wie eine Art Fazit anhört, soll nun aber durch einige Beispiele unterstrichen werden, denn Thomas Hörren hat eine ganze Reihe erstaunlicher Fakten zusammengetragen, und stellt uns zudem Tiere vor, von denen man noch nie etwas gehört hat.
Die Biodiversität von Tieren, Pflanzen, Pilzen und Bakterien in, auf und unter totem Holz, sowie über und unter Wasser, ist in der Tat eine "spannende Reise durch verborgene Lebensweisen", wobei die Gestaltung der 22 Kapitel durchaus mit der Spannungskurve eines Kriminalromans vergleichbar ist.
Hat jemand schon mal etwas von einem "Speckkäfer" Trinodes hirtus gehört? Sie sind um die zwei Millimeter groß und leben von Insektenresten, die sie in Spinnennetzen finden. Jene müssen aber von Webspinnen, ebenso klein wie fein, gesponnen sein. An Totholz gebunden, jedenfalls die meisten Arten, sind auch "Pseudoskorpione", die sich durch eine ganz besondere Art der Fortbewegung auszeichnen. Die 3-4 Millimeter großen Tiere halten sich mit ihren Zangen an größeren Insekten, wie Schnaken und Bockkäfern, fest, und reisen somit in neu zu erschließende Lebensbereiche. Eine Interaktion, die sich "Phoresie" nennt.
Die Liste spannender Themen ließe sich mühelos erweitern, würde aber jeden Rahmen einer Buchbesprechung sprengen. Die Vielfalt des Lebens und der Lebensräume sowie deren Bewohner weiß dieses Buch eindrucksvoll zu schildern, wobei viele Bereiche, Tiere und das große Miteinander noch gar nicht bis ins Detail erforscht sind. Den aktuellen Stand der Wissenschaft liefert der Autor gleich mit.
Er bereichert das Buch zudem mit eigenen Fotografien, die mitunter leider einige Wünsche, was die Bildqualität betrifft, offen lassen. Die Bilder werden im weiteren Verlauf des Buches allerdings besser und ganz besonders eines dürfte sogar mühelos einem künstlerischen Anspruch genügen. Wer suchet, der findet. Ein kleiner Tipp vielleicht? Es hat etwas mit "Kadaververjüngung" zu tun. Apropos, wer sucht und auch noch genau aufpasst, findet etwas über den kleinsten Käfer Europas, die erste "Regenwasser-eDNA-Studie" der Welt, "Benjeshecken" oder klitzekleine Ökosysteme. Man lernt auch, dass es so etwas wie "den Borkenkäfer" gar nicht gibt und welche schier wirklich unglaublichen Fähigkeiten Rädertierchen entwickeln, wenn ihr "Mikrohabitat trockenfällt".
Und damit der Humor nicht zu kurz kommt, erfahren wir die Bedeutung eines ganz speziellen "Hasenklos"...
Die Wahrnehmung für alle Interessierte, was abgestorbene Bäume oder auch sonstiges Altholz betrifft, ob beim nächsten Waldspaziergang oder im eigenen Garten, wird künftig eine ganz andere sein.
Einen schöneren Sinn kann ein Buch eigentlich nicht haben, und wenn sich Thomas Hörren, Autor und Biodiversitätsforscher, vorgenommen hatte, einen solchen in seinem Werk zu vermitteln, so ist ihm das absolut gelungen. Spätestens in seinen Schlussbemerkungen sollte man das erkennen.
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