Literatur

Versuch über das Nichtschreiben

von Peter Hanke


96 Seiten
© SOLIBRO Verlag, Münster 2017
www.solibro.de
ISBN 978-3-96079-022-8



Auch schon wieder vorbei. Ende. Nichts geht mehr. Das größtmögliche Wagnis in der Literatur ist vollbracht. Und für so viel Mut gebührt nicht nur dem Dichter Lob, sondern auch und im Besonderen dem Verlag. Das orthographische Desaster in den sozialen Netzwerken und die abstrahierende Kleinschreiberei des Dichteradels sind zur Tendenz einer Ahnung verkommen. Hilflose Versuche, dem tatsächlich Notwendigen Rechnung zu tragen. Mutlos und inkonsequent.

Hanke geht andere Wege. Klar, unmissverständlich und schonungslos zielorientiert. Keine halben Sachen mehr. Jetzt heißt es nicht mehr, viel und richtig zu schreiben, oder sich gar die Mühe machen, auch noch zwischen
den Zeilen zu lesen, sondern gar keine mehr. Es ist eine ungeheure Befreiung. Eine schwere Last hinter sich lassend, steigt man aus dem Sumpf der literarischen Irrungen und indirektuellen Verschachtelungsorgien auf wie ein entfesselter Ballon.

Hinfort mit zwanghaft manischem Interpretieren schockgefrosteter Wort- und Satzfragmentarien und hyperventilierender Egomanie in harmlos wirkender und doch knietief versinkender Fabulation. Das Nichts in seinem eigentlichen Wesen und seinem ursächlichen Auftrag gewinnt eine völlig andere Bedeutung, indem es in unserem Selbstverständnis zu einer greifbaren Erkenntnis durch Metamorphose heranreift.

Klarheit ersetzt das Drama aus Buchstaben und Worten, die uns doch nur zuerst an der Nase herum- und anschließend in die Irre führen. Erzähler banaler Geschichten und jene Feiglinge, die sich hinter ihren diffusen Metaphernozeanen und -inselgruppen verstecken, eklatante Rätselaufgeber, postindirektuelle Nebelexistenzen und Wortkaleidoskopisten: Aus ist es mit euch. Hinweg!

Zurück bleiben die Scherben des Wähnen nach Erlösung. Zeiten, in denen das Ungeschriebene im kargen Randexistenzialistentum in bleiernen Tränen der Ignoranz dahinvegetierte sind vergessen. Peter Hanke führt uns behutsam an das Ende aller Dinge und gleichzeitig an den Anfang zurück. An den Ursprung von allem.

Der Worte wahrer Sinn ist das Verschwinden. Eine wahre Bedeutung braucht das Wort nicht und umgekehrt. Was der Autor uns lehrt, ist bahnbrechend einfach: Viel ist nichts, aber das Nichts ist viel. Eine Auferstehung im eigentlichen Sinn. Endlich begreifbar. Kein Wagnis, nur ein Weglassen.

Im Kontext der Irritation von Versuch, Irrtum und dem Scheitern ist Peter Hanke, wie gewohnt, seiner Zeit weit voraus. Doch in seinem neusten Werk "Versuch über das Nichtschreiben" geht er noch einen Schritt weiter. Nun ist er über den Horizont getreten, welches er allerdings gleichsam von seiner Leserschar erwartet und ja, voraussetzen muss.

Gleichsam ist ein Loslassen erforderlich und Voraussetzung für die allumfassende Erkenntnis. Dann ist es wie ein Ankommen und gleichzeitig ein Vorwegnehmen des Unvermeidlichen. Schwach nur die Erinnerung an jene Zeit, entweiht von der Buchstaben Macht. Aus dem Nichts kommen wir und ins Nichts werden wir gehen. Nichts werden wir lesen, so wie es sein wird, wenn wir in Nichts uns wandeln.

Dieses epochale Werk weist uns den Weg. Ist Hilfe und Hoffnung zugleich. Das Unaussprechliche hat einen Namen. Das Buch bereitet auf die verschlungenen Pfade vor, die unendlich vielen leeren Seiten, die auf uns alle warten. Alle Leserinnen und Leser, die das Werk bis zum Ende durchstehen, erfahren die Wucht einer Weisheit, die stets in der Nähe und doch nie sichtbar war. Die Antwort durch Nichtschreiben.

Die Antwort auf die letzte aller Fragen.

 

Thomas Lawall - Februar 2018

 

 

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