Literatur

Valhalla

von Thomas Thiemeyer


514 Seiten
© 2014 Knaur Verlag
www.knaur.de
ISBN 978-3-426-65265-7



Im Februar 1944 befindet sich die Besatzung einer Forschungseinrichtung des Kaiser-Wilhelm-Instituts in heller Aufregung. Die Wetterstation "Heißsporn", weit abgelegen von jeder menschlichen Siedlung und ganz in der Nähe einer prähistorischen Fundstätte, scheint ungebetenen Besuch zu bekommen. Am Haupteingang scheint sich jemand, laut polternd, Einlass verschaffen zu wollen.

Oberleutnant Karl-Heinz Kaltensporn vermutet den erneuten Angriff eines Eisbären. Während seine Männer ihre Waffen laden, versucht Kaltensporn, nachdem er die Holzverschalung eines Fensters abgenommen hat, einen Blick nach draußen zu werfen. In dem heftig tobenden Sturm und dem meterhohen Schnee ist wenig zu sehen, doch gerade so viel, um zu erkennen, dass es sich keineswegs um einen Eisbären handelt ... 

Dr. Wolfram Siebert von der Universität Potsdam wurde 70 Jahre später im Bundesmilitärarchiv in Freiburg fündig. Für jeden Historiker bedeutet die Einrichtung eine unermessliche Fundgrube, denn hier lagern nicht nur Unterlagen des Bundesministeriums der Verteidigung, der Streitkräfte und der Bundeswehr, sondern auch Dokumente der Wehrmacht, der Waffen-SS und der Reichswehr. Im Rahmen seiner Forschungsarbeiten zum Thema "Nazi-Archäologie" entdeckt er auf Umwegen spärliche Hinweise auf eine geheime Expedition in den hohen Norden.

Drei U-Boote sollen in Richtung Spitzbergen unterwegs gewesen sein, wo angeblich umfangreiche Ruinen unter dem Eis Reste einer prähistorischen Zivilisation vermuten ließen. Eine weitere Spur führt zu einer geheimen Forschungseinrichtung, die damals unter der Führung der Wehrmacht stand. Ein im Zuge der deutsch-russischen Freundschaft zurückgegebenes NS-Archiv aus Sankt Petersburg gibt einen Sensationsfund frei. Es ist das Tagebuch des Kommandanten einer Wetterstation jenseits des Polarkreises, Oberleutnant Karl-Heinz Kaltensporn ...

Mit einem geschätzten Vermögen von 50 Milliarden Dollar gehört Norman Stromberg, der als Großindustrieller in mehreren Branchen tätig ist, zu den reichsten Männern der Erde. Trotz seines Reichtums gibt sich Stromberg eher zurückhaltend und bodenständig. Seine Leidenschaft sind die großen Epochen der Vergangenheit und als Sammler ist ihm keine Summe zu hoch, wenn es sich um außergewöhnliche Relikte mit einer ebensolchen Geschichte handelt.

Eine seiner engsten Mitarbeiterinnen ist die Archäologin Hannah Peters, geboren und aufgewachsen in Hamburg. Mit ihrem Mann John und ihrem Team gerade in Kambodscha mit der Erkundung und Rekonstruktion der größten Tempelstadt der Welt, Groß-Angkor, beschäftigt, wird sie von ihrem Geldgeber nach Washington D.C. berufen. Er bedauert die Dringlichkeit seines Anliegens und die damit verbundenen Umstände, doch er wäre da auf eine "Sache" gestoßen, die Rat und Einschätzung Hannahs dringend erforderlich machen würden.

In einer eigens eingerichteten Forschungsstation unter dem Meer, die sie mit ihrem Chef per privatem Hubschrauber erreicht, wird sie eingeweiht. Es dreht sich um "Objekt C-24H" - das Eislabyrinth auf Nordostland, gefunden auf den Aufnahmen eines Wettersatelliten, der zweitgrößten Insel des Svalbard-Archipels. Dort, wo auch die deutsche Wehrmacht im zweiten Weltkrieg eine Wetterstation betrieben hat. Stromberg steht jedoch kurz vor einer weiteren Entdeckung. Seine inoffiziell betriebenen Forschungen am Polarkreis sind es nicht mehr. Andere, weit skrupellosere Kreise, interessieren sich für die dunklen Machenschaften der Deutschen in jenen Jahren ...

Thomas Thiemayer baut seinen Roman wie eine Hollywood-Filmproduktion auf. Der Kameraschwenk mitten in die Ereignisse vor 70 Jahren bildet die gelungene Einleitung einer Geschichte, die den Leser sofort in ihren Besitz nimmt und ihn bis zur letzten Seite nicht mehr zur Ruhe kommen lässt. Bis dahin ist allerdings ein weiter Weg. Eine eisige Kälte bläst zwischen den Seiten hervor und man tut gut daran, eine warme Decke bereitzulegen und das Kaminfeuer noch einmal kräftig aufzulegen.

Der Autor ging ganz hervorragend vorbereitet an die Arbeit, denn in "Valhalla" finden wir nicht nur Berge von Action, sondern auch ebensolche von Sachthemen, beispielsweise über Computertechnik, antike Städte, Berichte über den Zauber arktischer Nächte, das unermüdliche Wesen der Alaskan Malamutes, die Herstellung außergewöhnlicher Schnäpse, den Rassenmythos im Nationalsozialismus, wie GPS-Signale zu verfälschen sind oder eine Abhandlung über körpereigene Abwehrmechanismen in Bezug auf Schwangerschaften. Auch nette kleine Querverweise auf Filmproduktionen finden wir, allen voran ein Zitat aus der Star-Wars-Reihe (viel Spaß beim Suchen!).

Die Konstruktion und Thematik des auf Höchstspannung ausgelegten Thrillers ist sicherlich nichts Neues, doch wenn die sich immer bedrohlicher entwickelnde Lage bereits nach gut einem Viertel des Romans eskaliert, fragt man sich als einigermaßen geschockter Leser, was denn nun noch alles kommen möge! Und es ist gut so, dass man dergestalt vorbereitet ist, denn es wird tatsächlich noch weitaus schlimmer ...

Die Handlung verdichtet sich gegen Ende des Buches immer mehr, während man sich angesichts der verbleibenden Restseiten aber leider fragen muss, wie sich denn ein Ausweg aus dieser ausweglosen Situation in solch kurzer Zeit ergeben mag! So wird denn auch ein an sich spannender Roman regelrecht abgewürgt. Wie so oft, bleibt der große Knall natürlich nicht aus, allerdings auch eine gewisse Enttäuschung. Gut 500 Seiten sind für einen Roman dieser Größenordnung einfach nicht genug.

 

Thomas Lawall - Mai 2014

 

 

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