Literatur

Vakuum

von Antje Wagner


384 Seiten
© 2014 für diese Lizensausgabe Beltz & Gelberg
www.gulliver-welten.de
ISBN 978-3-407-74494-4



Hannes ist sich sicher, dass es kein banaler Traum war. Es war viel mehr als ein Traum, es war eine Idee! Der Sechzehnjährige liebt und schreibt eigene Horrorgeschichten, doch jetzt hat er das Konzept für etwas Größeres. Sofort schreibt er seine Ideen auf. Sogar einen Titel für seinen ersten Roman hat er schon. Stichpunktartig schreibt er die wichtigsten Handlungsfäden auf, weil er Angst hat, die Erinnerungen daran zu verlieren.

Noch während er hastig seine Notizen anfertigt, fällt ihm etwas auf. Während es in seiner Romanidee ziemlich laut und hektisch zugeht, scheint in seiner unmittelbaren Nachbarschaft das genaue Gegenteil stattzufinden. Es ist Samstag und normalerweise toben um diese Zeit die Kinder in der Nachbarschaft auf unüberhörbare Weise. Auch vom Musiker nebenan ist nichts zu hören.

Die Sonne strahlt vom blauen Himmel, doch auch der gesamte Hinterhof ist leer. Von einem anderen Fenster aus sieht er auf die Straße. Kein Mensch ist zu sehen. Auch kein einziges Auto fährt durch die sonst so belebten Straßen. Hier stimmt definitiv etwas nicht.

Der sechzehnjährigen Kora ergeht es ähnlich. Sie sitzt in der JVA in Schwäbisch Gmünd. Sie versucht gerade dem Kontakt mit einigen Mitinhaftierten aus dem Weg zu gehen, indem sie vorgibt, sich mit einem ihrer selbst angefertigten Wandgemälde intensiv zu beschäftigen. Als sie sich wieder umdreht, sind alle verschwunden.

Das Gefängnis ist menschenleer. Auch die Beamten sind weg. Die Kantine ist wie ausgestorben. Gerade am Wochenende ist in der Küche immer etwas los. Doch jetzt scheinen alle plötzlich verschwunden zu sein. Wer soll jetzt die 335 Brotscheiben für das Abendessen vorbereiten? Kora rennt in Panik über den Hof zur Turnhalle, doch es ist vergebens. Denn auch hier ist niemand. Sie ist allein.

Zeitgleich machen drei weitere Jugendliche die gleichen Erfahrungen: Tamara, Alissa und Leon. Einen Reim können sie sich auf die Ereignisse nicht machen. Doch ihre Beobachtungen verdichten sich immer mehr ins Phantastische. Beispielsweise fällt ihnen auf, dass mit dem Tageslicht etwas nicht stimmt. Die Sonne scheint immer an der gleichen Stelle zu stehen. In einem Lokal brennt das Essen in kochenden Töpfen auch nach mehreren Tagen nicht an ...

Antje Wagner hat ein bemerkenswertes Szenario geschaffen. Und wer jetzt wissen möchte, was das alles zu bedeuten hat, den werde ich an dieser Stelle enttäuschen müssen. Das "Vakuum" sollte der potentielle Leser selbst und möglichst unvoreingenommen erkunden dürfen.

Ein paar letzte Bemerkungen zur eingeschlagenen Richtung und zur Orientierung müssen jedoch noch sein. Die Autorin hat ein sicheres Gespür für die Ängste junger Seelen. Was im Zusammenhang mit Fehlentscheidungen, Schuldgefühlen und Mauern aus Schweigen entstehen kann, weiß Antje Wagner mit der gebotenen Sensibilität zu schildern. Neben aller Tragik verzichtet sie vollständig auf den erhobenen Zeigefinger, sondern führt völlig andere Lösungswege auf.

Eine solche Geschichte, die im Jugendbuchbereich ab 14 Jahre empfohlen wird, liest man wahrlich nicht alle Tage!

 

Thomas Lawall - Oktober 2014

 

 

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