Unterwasserflimmern
von Katharina Schaller
238 Seiten © 2021 Haymon Verlag, Innsbruck-Wien www.haymonverlag.at ISBN 978-3-7099-8130-6
Herrlich, was die Leute alles in den Titel hineininterpretieren. Das Foto tut den Rest und schon kann die Reise losgehen. Dabei zieht es die namenlose Heldin keineswegs ins Wasser oder gar in tiefere Regionen. Ganz im Gegenteil, denn sie steht mit beiden Beinen auf festem Grund. Sozusagen.
Das bedeutet allerdings nicht im geringsten, dass sie auch nur den Hauch einer Ahnung besitzt, in welche Richtung sie sich bewegen sollte. Dies nämlich steht auf einem ganz anderen Blatt. Wer sich mit "Unterwasserflimmern" beschäftigt und sich auf die Geschichte einlassen kann, darf erst einmal alle vorgefertigten Erwartungsmuster in die Tonne kippen.
Wobei sich die "Geschichte" insgesamt einer geordneten Struktur vehement verweigert. Erst jetzt dämmert es einem, was für einen Mist man doch so gelegentlich in sich hineinliest. Nichts, aber auch gar nichts, ist so, wie man es erwartet. Katharina Schaller denkt ja gar nicht daran, sich mit ihrem Erstling brav in üblichen Schubladen zu positionieren, um eine weitere literarische Eintagsfliege zu produzieren, dazu verdammt, sich nach dem Konsum, in trauriger Resignation, zu all den verstaubten Leseleichen im Regal zu gesellen.
Die Nachhaltigkeit der Lektüre macht sich keineswegs am offenen Ende fest, oder gar an einer Enttäuschung darüber. Wer der unentschlossenen Frau Raum für ihr privates Chaos gibt, braucht einen dämlich zusammengeschusterten Schluss nicht. Viel mag noch kommen, aber vorher war doch wirklich erst einmal genug. Auch wenn man dabei mitunter ins Bodenlose stürzt und sich fühlt wie das Grieselbild eines analogen Fernsehers bei schlechtem Empfang oder nach Sendeschluss.
Die Autorin beschreibt in ebenso glasklarer wie unmissverständlicher Sprache sehr genau, wie ungenau sich ein Leben gestalten kann. Na und? Bis ein passender Lebensentwurf gefunden ist, kann es eben dauern. Und wer sich konsequent gegen angepasste Strukturen und einen Platz im Beziehungskäfig wehrt, dem All-inclusive-Paket Ehe-Kind-Haus, der üblichen Wohn-Haft also, braucht ein gerüttelt Maß an Gleichgültigkeit. An Frechheit ebenfalls, denn schließlich kostet es Kraft, sich den Erfindern der existenziellen Schnittmusterbögen entgegenzustellen.
Und das tut sie, wobei sich überschneidende Beziehungen dazugehören. Na so was. Gehört sich das? Und dann auch noch für eine Frau? Noch weniger entspricht es der Etikette, gelegentlich in die Vulgärsprache abzudriften, was des Gesamtbild etwas trübt. Vordergründig jedenfalls, denn wenn es als Provokation gedacht sein sollte, passt es wieder! Gleiches Recht für alle, gell?!
Der Lebensausschnitt jener Namenlosen, die sich in ebensolcher Umgebung, ob hierzulande oder sonstwo, bewegt, ist ein intensiver Brocken Literatur, der hier nachgezeichnet werden kann. Wort für Wort und von Haltestelle zu Haltestelle. Leserinnen und Leser, die ähnliches erfahren, durchlebt und überstanden haben, werden im Vorteil sein, diesem erstaunlichen Debüt die Tür zu öffnen. Ja, man scheint diese und jene Situation genau zu kennen.
Aber auch alle anderen könnten zu der Erkenntnis gelangen, dass das Leben nun mal in seiner ganzen Pracht gelebt werden sollte. Wohin genau die Reise geht, kann sich ja noch ergeben.
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