Literatur

Und Gott sprach: Wir müssen reden!

von Hans Rath


272 Seiten
© 2012 Rowohlt Verlag GmbH,
Reinbek bei Hamburg
www.rowohlt.de
ISBN 978-3-8052-5044-3



Nach alldem, was in jüngster Zeit geschehen war, kommt der zweite Besuch seiner geschiedenen Frau noch überraschender als der erste. Jakob Jakobi erfährt so nebenbei, was ihm dank Ehevertrag durch die Lappen ging. Dass seine Ex ein nicht unbeträchtliches Vermögen von ihrem Onkel geerbt hatte, war ihm soweit bekannt, nicht aber, dass es sich um 140 Millionen gehandelt hatte! Er ist einerseits überrascht, trauert aber andererseits allem Anschein nach den entgangenen Millionen in keinster Weise nach. Deshalb kann ihn auch das Angebot von Ellen wenig beeindrucken. Ihre Ehe wäre doch eigentlich gar nicht so schlecht gewesen, weshalb er sich die ganze Sache doch noch einmal überlegen sollte. Ihre neu eingegangene Beziehung stünde sowieso unter keinem guten Stern und eigentlich wäre die auf den Malediven geschlossenen Ehe mit Boxer Armin nach deutschem Recht gar nicht gültig. Zudem bietet sie ihm eine stattliche Summe als unverbindliches Geschenk an ...

Ihr erster Besuch gestaltete sich ungleich dramatischer. Der vermeintlich rein freundschaftliche Besuch entpuppte sich als Versuch, ihrem krankhaft eifersüchtigen Lover eine Therapie zu verpassen. Schließlich sei ihr geschiedener Mann Psychologe und könnte ihn somit zur Vernunft bringen. Das klappte insofern nicht, als ihn Berufsboxer Armin krankenhausreif schlug.
Der nicht gerade sehr erfolgreiche Therapeut landete somit unfreiwillig in der Notaufnahme eines Krankenhauses. Dort zeigte man sich von seiner gebrochenen Nase wenig beeindruckt, denn mit derlei Lapalien steht man auf der Dringlichkeitsliste ziemlich weit hinten. Zum Glück war in der Ambulanz allerhand los, sodass Langeweile erst gar nicht aufkam. Schon gar nicht, als sich ein Mann in einem Clownskostüm vorstellte. Abel Baumann wurde wegen Stichen in der Herzgegend eingeliefert und entpuppte sich als überaus interessanter Gesprächspartner. Und wie es der "Zufall" wollte, war er auf der Suche nach einem Therapeuten, der ihm bei seinen diversen psychosomatischen Leiden helfen könnte. Er bot sogar Bargeld für ein sofortiges Therapiegespräch an. Man einigte sich auf einen Treffpunkt in einem nahe gelegenen Café, wo es zunächst gewisse Formalitäten zu klären gab.

Nach anfänglichen Zweifeln fasste Jakob Jakobi Vertrauen zu dem ungewöhnlichen Mann, doch ehe dieser zur Sache kommen konnte, versetzte ihm die Bedienung mit ihrem Ellenbogen einen unbeabsichtigten Schlag auf die ebenso frisch gebrochene wie verbundene Nase.
Als er wieder aufwachte, befand er sich in einem Krankenzimmer, und schon bald bekam er prominenten Besuch. Abel Baumann, diesmal als vermeintlicher Chefarzt unterwegs, sorgte nach seiner "Visite" erst einmal für die Verlegung zweier Zimmernachbarn. Ein Einzelzimmer wäre doch gemütlicher. Es dauerte nicht lange, bis eine Krankenschwester mit zwei Polizisten auftauchte ...

Abel Baumann wurde nicht zum ersten Mal verhaftet. Er liebt es, in andere Rollen zu schlüpfen. So war er beispielsweise schon als Architekt unterwegs, indem er spontan gravierende Änderungen an einem aktuellen Großbau vornahm. Auch als Pilot war er bereits unterwegs oder beispielsweise als Jugendrichter, Staatsanwalt, Bankangestelter und Sprengstoffexperte. Und schließlich eröffnete er seinem Wunschtherapeuten, dass er der liebe Gott persönlich sei. Ferner sei er "ziemlich im Arsch" und würde Hilfe benötigen ...

Ellen wird immer zudringlicher mit ihrem Anliegen. Jakob bleibt aber auf dem Teppich und will sich von dem vermeintlichen Geschenk nicht verblenden lassen. Auch nicht, wenn sich das Angebot auf eine Million beläuft! Auf eine "Stelle als Noch-Exmann" kann er verzichten. Zwar ehrt ihn das Angebot seiner Ehemaligen, er weist dieselbe aber darauf hin, dass sie ihn ja auch hätte "leasen" können, oder "billig in der Zwangsversteigerung" kriegen können. Ellen gibt nicht auf und begibt sich in Richtung Schlafzimmer. Leicht bis gar nicht bekleidet versucht sie nun letzte Überzeugungsarbeit zu leisten, scheitert aber auch mit dieser Waffe. Jakob bekommt einen Anruf von Polizeioberrat Schavinski. Abel sei frei und würde dringend professionelle Hilfe brauchen. Während Ellen noch damit droht, auch andere Seiten aufziehen zu können, macht sich Jakob unbeeindruckt auf den Weg, in der Hoffnung, dass Gott inzwischen "keinen Mist gebaut" hat.

Dieser Unterhaltungsroman durchbricht die Grenzen des Genres in jeder Beziehung, denn hier geht es um eine Begegnung von grundsätzlicher Bedeutung. Hans Roth wagt es, den Allmächtigen auf die Erde zu holen, und ihn sozusagen auf dem Boden der Tatsachen die wahre Identität seiner Schöpfung spüren, erleben und erleiden zu lassen. Doch ist er es wirklich? Und wenn ja, schenken ihm seine Geschöpfe den verdienten "Glauben"? Verlangen sie sogar, wie gewöhnlich, Beweise? Muss er wieder übers Wasser laufen, Meere teilen oder Brot vermehren?

Nicht unbedingt, denn was mit Backwaren einst funktionierte, kann man genauso gut mit Kaffee machen. Auch wenn es den Psychotherapeuten nicht wirklich überzeugen kann. Doch dann schickt der Autor die beiden auf eine wahnwitzige Reise, die alle Zweifel in Luft auflöst. Doch nicht nur das, denn es wird danach nichts mehr so sein, wie es vorher war ...

... und damit gelingt Hans Rath ein gewaltiger Spagat. Einen Unterhaltungsroman mit philosophischen Erwägungen und existenzialistischen Erkenntnissen zu verbinden, ist keineswegs eine Rezeptur, die immer gelingen muss. "Und Gott sprach: Wir müssen reden!" ist eine wahrhaftige "Gipfelkonferenz", die er ebenso geistreich wie unterhaltsam und witzig in Szene gesetzt hat. Und sein Experiment hat weitreichende Folgen. Der Mann, mit dem ich an der Bushaltestelle letztens ein ebenso spontanes wie höchst interessantes Gespräch führte - könnte das nicht "Er" gewesen sein? Oder der Straßenmusikant, der mir auf dem Weihnachtsmarkt einen vielsagenden Blick schenkte? Oder vielleicht der freundliche Herr auf jenem Kinderspielplatz, der alle Zeit der Welt zu haben schien ...

 

Thomas Lawall - Februar 2013

 

 

Für Fragen, Kritik und Anregungen steht unser Forum zur Verfügung

Home News Literatur Gedichte Kunst Philosophie Schräg Musik Film Garten Küche Gästebuch Forum Links Impressum