Literatur

Turrinis Jagd

von Franz Friedrich Altmann


240 Seiten
© 2013 Haymon Verlag, Innsbruck-Wien
www.haymonverlag.at
ISBN 978-3-7099-7044-7



Am frühen Morgen schon das fünfte Bierchen abzukippen kann lustige Folgen haben. Die Frau Magister Gudrun "Gucki" Wurm arbeitet an der Fertigstellung eines Anzeigenblattes, die Zeit drängt, doch leider fehlen ihr noch immer Titelblatt und Leitartikel. Plötzlich ertönt heftiges "Kuhglocken-Geschepper". Gucki öffnet das Fenster und sieht mitnichten eine entsprechende Herde vorbeiziehen, sondern so etwas wie ein gelandetes Raumschiff. Schon wird ein Türl geöffnet, eine Stiege herabgelassen und eine Art Astronaut verlässt das Gefährt. Offenbar kommt er in friedlicher Absicht, allerdings hat er ein "Mordstrumm" dabei ...

Doch es ergeben sich noch andere Gelegenheiten - man muss nur die richtigen Leute kennen. Matthias "Hias" Bruckner hat in Windgschlief ein Haus gebaut und steckt in mächtigen Schwierigkeiten. Er hat sich ordentlich verspekuliert und seine Schulden verdoppelt. Diese zurückzuzahlen sieht er sich außerstande, doch in der Lage, der ihn beratenden Bank einen deftigen Denkzettel zu verpassen. Gerade noch rechtzeitig kommt sie am Ort des Geschehens an und schraubt das richtige Objektiv auf die Kamera, als Baggerfahrer Hias auf einem entsprechenden Gefährt ordentlich Gas gibt ...

Damit aber nicht genug, denn jetzt treten "die Wilderer" auf den Plan. Sie versprechen in per alter Schreibmaschine auf edlem Büttenpapier getippten Briefen, dass in nicht wenigen Banken demnächst einige Arbeitsplätze frei werden würden. Ganz allgemein würde man den Banken den Krieg erklären, die allesamt eine Spezialbehandlung mittels antiquarischem Küchengerät verdienen würden. Bei derlei Drohungen bleibt es nicht. Mord und allerlei Explosionen sind angesagt ...

Kann man trotz mitunter unflätiger Ausdrucksweise den guten Ton wahren? Man kann! Diesen halsbrecherischen Spagat schafft Franz Friedrich Altmann mit der neuesten Ausgabe seiner Serie um Turrini, dem Hund von "Gucki". "Turrinis Jagd" ist mit einer ganzen Reihe nicht ganz alltäglicher Kapitelüberschriften gesegnet, die den gemeinen Leser und vielleicht ganz besonders die gemeine Leserin möglicherweise erst einmal gründlich vor den Kopf stoßen könnten.

Derlei hat der Autor selbstverständlich nicht im Sinn und weiß deshalb seine Provokationen alsbald (und immer wieder) abzuschwächen, indem er der verwunderten Leserschaft zwecks Relativierung seiner drastischen Ausführungen einen gepflegten Sprachunterricht anbietet, insbesondere an die Adresse gewisser "Piefkinesen" gerichtet. Das scheint auch bitter nötig zu sein, denn schließlich haben wir Deutschen den Österreichern sprachlich in den ... nein, das zitiere ich jetzt nicht. Selber lesen macht schlau!

Apropos schlau - wir sind nach der Lektüre von "Turrinis Jagd" tatsächlich klüger, und das in vielerlei Hinsicht. Sprachlich auf Vordermann gebracht, sind wir auch um unser Sachwissen bereichert worden. Wer hätte beispielsweise gedacht, dass es zwischen der Anzahl von in Kinderzimmern vorhandenen Plüschtieren und der Scheidungsrate, sowie zwischen gewissen Perversitäten und dem Spekulantentum an den Börsen jeweils direkte Zusammenhänge gibt? Noch wichtiger erscheint mir aber der Vergleich gewisser Biermarken sowie die Feststellung, dass der imaginäre Erzähler keine "ordinäre Drecksau" ist. An allen Übeln ist ja sowieso nur die BRAVO schuld ...

Selten habe ich mich auf diese Art und Weise amüsiert. Derartige Ambivalenzen habe ich eigentlich noch nie lesen dürfen. Ein Fazit zu finden ist deshalb ebenso einfach wie schwierig. Unverschämt lustig ist dieser Kriminalroman. Erfrischend schräg und erfreulich anders. Radikal ist er auch, ironisch provokant sowieso, und ich möchte gerne wissen, wie oft der hochverehrte Autor von seiner Deutschlehrerin eine Mordstrumm Watschen bekommen hat. Vielleicht war dem aber gar nicht so, wenn er zu jenen Auserwählten gehörte, die kein Taschengeld für die BRAVO bekommen haben ...

Ich habe mich von der andauernden Abschweiferei anstecken lassen. Wo war ich jetzt? Bei der Vernehmung der sechs Zeuginnen im Whirlpool? Bei den Steigerungsformen von geil? Oder welche Art von Auto zu fahren "um ein Hauseck geschissener" ist, oder mit der Fragestellung beschäftigt, ob ein Auto, ähnlich wie ein Pferd, zur Not und unter bestimmten Umständen alleine nach Hause findet? Nein, beim Fazit war ich. Das Buch ist liebenswert anarchisch. Beißend gesellschaftskritisch - aber heimatverbunden. Drastisch - aber erdig, ironisch bodenständig sozusagen. Egal. Ein Mordstrumm Kriminalroman jedenfalls!

 

Thomas Lawall - Juni 2013

 

 

Für Fragen, Kritik und Anregungen steht unser Forum zur Verfügung

Home News Literatur Gedichte Kunst Philosophie Schräg Musik Film Garten Küche Gästebuch Forum Links Impressum