Totkehlchen Modrichs dritter Fall
von Thomas Matiszik
282 Seiten © 2019 OCM GmbH, Dortmund www.ocm-verlag.de ISBN 978-3-942672-69-6
Gregor Frobisch, Dortmunds neuer Polizeichef, macht zum Amtsantritt genau das Richtige. Sein liberales Auftreten kommt bei den Kollegen gut an. Die ersten Zusatzpunkte sammelt er, indem er Kommissar Peer Modrich freistellt, um ihm die Möglichkeit zu geben, seine Kollegin Gudrun "Guddi" im Krankenhaus zu besuchen, deren Sohn sich einer nicht ungefährlichen Operation unterziehen muss.
Weitere Details kennt er nicht, da es ihm noch nicht möglich war, jeden einzelnen seiner Mitarbeiter/innen kennenzulernen. Peer bietet ihm spontan an, bei einem spätabendlichen Umtrunk die Wissenslücken etwas aufzufüllen. Diese sind an jener Stelle des Buches auch für Leserinnen und Leser dünn gesät, nicht nur was gewisse Kollegen betrifft, sondern auch der eine oder andere Zusammenhang. Nach einem Fünftel der Lektüre wünscht man sich etwas mehr Licht im Dunkel.
Hierfür gibt es gleich mehrere Gründe, denn die Charakterisierungen der jeweiligen Personen sind eher flach skizziert, weshalb sie nahezu sofort wieder aus dem Gedächtnis verschwinden. Unterstützt wird dies noch durch eine ganze Anzahl von Wechseln der Erzählperspektive. In kurzen Kapiteln gibt es nur häppchenweise Informationen. Dort, wo normalerweise Spannung aufgebaut wird, verliert man eher die Übersicht und möchte ein ums andere Mal die Lektüre abbrechen.
Was im neugierig machenden Prolog versprochen wurde, flacht schnell ab, zumal auch noch der Erzählstil recht einfach gehalten ist und mitunter wie leidenschaftslos herunter erzählt wirkt. Dialoge wirken aufgesetzt und Situationen allzu oft unglaubwürdig. Beispielsweise wäre da jene Pressekonferenz, die zur Amtseinführung Frobischs veranstaltet wird. Eine Oberstaatsanwältin würde sich niemals vor laufenden Kameras von einem Untergebenen aus dem Konzept bringen lassen, ja schon gar nicht das Rednerpult verlassen, um sich drohend vor ihm aufzubauen. Auch wenn sie hohe Schuhe trägt und "eine äußerst stattliche Erscheinung" ist.
Sehr viel früher lernt man übrigens den Mörder kennen, was der Spannung nicht gut tut, wobei seine Taten dann auch noch vom Klappentext verraten werden. "Tarantinoesk" mögen seine Taten ja sein, was ihn aber auch nicht davor bewahrt, eine unglaubwürdige Person zu sein, die sich von einer merkwürdigen Situation zur anderen bewegt.
Zum Ende hin entsteht dann doch so etwas wie Spannung, denn trotz allem möchte der Krimifan gerne wissen, wie es denn nun ausgeht. Wenn der Weg dahin aber derart holprig ist und man ständig das Gefühl hat, sich durch die Gedankengänge des Autors hindurch kämpfen zu müssen, wird das Lesen zum anstrengenden Vergnügen. Am Schluss konzentriert sich die Freude dann weniger auf das aufklärende Finale, sondern auf die Tatsache, das Buch doch noch geschafft zu haben.
Immerhin weiß sich der Titel neben dem Mainstream zu behaupten. Wer es also gerne ohne abgeschliffene Ecken und Kanten hat, keine tiefgreifende und komplexen Persönlichkeitsstrukturen ergründen möchte, möglichst schnell weiterkommen möchte, gerne zahlreiche Puzzleteile suchen will, die mit Mühe und Not am Ende doch noch zusammenpassen, wird hier bestens bedient.
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