Literatur

Totenhaus

von Bernhard Aichner


416 Seiten
© 2015 by btb Verlag
www.btb-verlag.de
ISBN 978-3-442-75455-7



Ja, was ist das denn nun? Hätte sie doch diese "Freakshow" nie betreten. Aber "Blum" handelt, wie so oft, wie unter Zwang. Sie muss einfach herausfinden, was es mit dem Foto in dieser Zeitschrift auf sich hat. Sie hastet von einem Ausstellungsraum in den anderen, bis sie die Vitrine findet.

Sie hat sich nicht geirrt. Auf dem Zebra sitzt tatsächlich eine Frau. Sie sieht ihr, Brunhilde Blum, der Bestatterin, mehr als nur ähnlich. Ein Jammer, dass man sie nicht mehr fragen kann! Zumindest fühlt Blum sich bestätigt, den Urlaub mit den Kindern abgebrochen zu haben, nachdem sie jenes ganzseitige Foto entdeckt hatte. Es ist tatsächlich so, als ob sie in einen Spiegel schauen würde ...

Ein Kollege von Plastinator Gunther von Hagens darf in "Totenhaus" mitspielen, und nennt sich Leo Kuhn. Ein guter Einfall, was der Story (nur) auf den ersten Blick interessante Wendungen verspricht. Blum muss ihn unbedingt sprechen, rast mit dem Motorrad, welches einst ihrem Mann gehörte, stundenlang bis zu dessen Haus und trifft ihn ... selbstverständlich an.

Natürlich hat er Zeit für ein ausgiebiges Gespräch und bietet zu allem Überdruss auch noch eine längere Exkursion an. Zu jenem Ort ist man dann im Konvoi standesgemäß per Ferrari und Motorrad unterwegs. Was dann folgt, erinnert in einigen Phasen an Stephen Kings "Shining" sowie an Stanley Kubricks gleichnamige Verfilmung von 1980.

Interessanter wird es aber nicht unbedingt. Haarsträubender dann eher. Die zusammengeschraubte, völlig überzogene Story von Blum, der wehrhaften Leichenbestatterin, die sich in einer bizarren Racheorgie verliert, kann in "Totenhaus" an Unglaubwürdigkeit noch ein paar Schippen nachlegen. Müde und genervt mag man abwinken und das Lesetempo etwas beschleunigen. Einmal angefixt, möchte man hier aber ebenfalls wissen, wie die sich immer wieder selbst parodierende Groteske wohl enden möge.

Den Vorgänger "Totenfrau" zu lesen ist nicht zwingend notwendig, denn die Ereignisse werden nicht nur ausgiebig wiedergekäut, sondern auch oft genug.
Im Prinzip erfüllt dieses Buch den Tatbestand einer Mogelpackung, sowohl was die magere Handlung und den damit verbundenen gestreckten Text betrifft, als auch typografische Tricks wie kurze Kapitel in Verbindung mit ebenso zahlreichen wie völlig überflüssigen Leerseiten. Das ärgert!

"Wie in einem schlechten Film", heißt es auf Seite 318. Bravo, das nenne ich mal eine zünftige Selbstkritik. So kommt einem bei genauerer Betrachtung das ganze Buch vor. Während die Geschichte immer mehr an Unglaubwürdigkeit gewinnt, tun es ihr die neuen Charaktere nach. Ob es nun "Künstler" Ingmar mit seiner "besonderen Technik" ist oder der völlig inkompetente Privatdetektiv "Schrettl", dem Spannungslücken mit sinnfreien Aktionen auszufüllen zugedacht ist.

Ein dritter Band soll erscheinen. OK, soll er. Immerhin wäre es spannend zu erfahren, wie Rache-Psychopathin Blum endet. Aber danach wollen wir, Insider wissen von wem hier die Rede ist, Totengräber Max Broll wiederhaben. Bitte. Danke!

 

Thomas Lawall - Oktober 2016

 

 

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