Literatur

Tod in der Kalurabucht

von Mona Misko


320 Seiten
© Sutton Verlag, 2012
99094 Erfurt
www.suttonverlag.de
www.mo-misko.de
ISBN 978-3-86680-960-4



Sie kennt ihren Vater eigentlich nur von einem Foto. Ihre Mutter hatte es gut versteckt und sie entdeckte es erst, als sie starb. Zusammen mit den Briefen an sie, die ihre Mutter stets abgefangen hatte. Über dreißig Jahre wusste Alessia Cappeletti nichts von der Existenz ihres Vaters, und jetzt ist sie zurückgekehrt. Nur noch wenige Meter trennen sie von ihm. Unvermittelt steht sie vor seinem Laden in Cefalù (Provinz Palermo) auf Sizilien. Er ist beschäftigt und bringt gerade Ordnung in die Gemüseauslage, doch plötzlich scheint er Alessias Präsenz zu spüren. Zuerst streift sein Blick sie nur, bis ihm klar wird, wen er vor sich hat. Ein leises "Ciao padre" bringt sie gerade noch heraus, bevor sich zwei Menschen in die Arme fallen, die sich noch nie zuvor gesehen haben.

Während sich Alessias Privatangelegenheiten auf der einen Seite positiv entwickeln, sieht sie sich auf der anderen Seite größeren Problemen ausgesetzt. Ein einziger Anruf ihrer Freundin aus Rom bringt geplante Abläufe ordentlich durcheinander. Sie hatte Chiara Bariello ihre vierjährige Tochter Celina anvertraut, bis sie ihre Angelegenheiten in Sizilien geklärt und eine größere Wohnung gefunden hat. Nun scheinen diese Pläne ins Wanken zu geraten, denn Chiara berichtet, dass ihr Vater sie abgeholt hätte. Alessia beendet das Gespräch sofort, um ihren Exfreund Cosimo, Celinas Vater, anzurufen. Seiner Meinung, Celina wäre bei ihrem Vater besser aufgehoben als bei einer Freundin, entgegnet sie, dass ihr als Mutter das alleinige Sorgerecht übertragen wurde, und dass es sich somit bei seiner Aktion um den Tatbestand einer Entführung handeln würde!

So ganz "nebenbei" hat Alessia Cappeletti auch noch einen Job zu erledigen. Ihr erster Arbeitstag gestaltet sich ganz und gar nicht so, wie sie es erwartet hatte. Noch mit ihrem herzzerreißenden Abschied von ihrer Tochter und ihrer Freundin am Flughafen in Rom kämpfend, muss sie sich umgehend neuen Realitäten stellen. Die Polizeioberkommissarin sieht sich gleich zu Beginn mit dem Mord an einer deutschen Touristin konfrontiert. Ihr neuer Kollege und Polizeikommissar Giuliano Carasini, mit welchem sich umgehend ein nicht ganz komplikationsfreies Verhältnis anbahnt, holt sie bereits vor dem offiziellen Dienstbeginn in der Questura (Polizeipräsidium) Cefalú ab.

Sophie Baumann wurde übel zugerichtet auf der Badeterasse des Hotels "Kalura" gefunden. Inhaber Gerrit Curcio hatte sie als freie Mitarbeiterin eingestellt. Sie äußerte das ungewöhnliche Anliegen, für eine Weile ausschließlich gegen Kost und Logis arbeiten zu wollen. Der Hotelbesitzer bestätigte einerseits, ein solches Angebot noch nie bekommen zu haben, andererseits aber froh darüber gewesen wäre, da es im Hotel sehr viel Arbeit gäbe. Die weiteren Ermittlungsarbeiten gestalten sich insofern schwierig, als die Tote einen nicht unerheblich großen Bekanntenkreis pflegte, allein im Hotel um die 200 Personen befragt werden müssen, und in Cefalù größere Festivitäten angesagt sind. Zum "Fest des Erlösers" (Santissimo Salvatore - Schutzpatron von Cefalù) werden sich ein großer Teil der 14.000 Einwohner sowie noch einmal so viele Touristen durch die Straßen drängen ...

Mona Misko gönnt sich und ihren Lesern den Luxus, im ersten Drittel des Buches einem einzigen Tag 93 Seiten zu widmen, und zeigt damit zugleich, dass hier keine halben Sachen abgeliefert werden. Während in anderen Kriminalromanen die Schauplätze nicht selten lediglich skizziert werden, geht die Autorin bis ins Detail. Schön, wenn man die jeweiligen Örtlichkeiten schon mehrmals besucht hat und somit weiß, wovon man schreibt.

So liest es sich dann auch, und fast verwundert es nicht, dass es das "Kalura" sowie seinen Besitzer Gerrit Curcio und ebenso einige andere namentlich genannte Personen, allen voran der Leiter der Questura Cefalù, Vice-Questore Dottor Manfredi Borsellino (Sohn des ermordeten Mafia-Richters Dr. Paolo Borsellino), tatsächlich gibt, wodurch der Roman nicht unerheblich an Authentizität gewinnt!

Großen Wert legt die Autorin auch auf zwischenmenschliche Befindlichkeiten und den damit verbundenen Komplikationen. Auch ein stets präsenter Blick auf optische Qualitäten ihrer männlichen Gegenspieler, Kollegen und verschiedenen maßgeblich Beteiligten spielt eine große Rolle. Bravo - denn was die sog. Herren der Schöpfung in fast schon nicht mehr erträglichem Maß an weiblichen Ansichten formulieren, sollte umgekehrt ganz selbstverständlich auch einmal erlaubt sein.

Der vielschichtige Aufbau, insbesondere die Verknüpfung von sachlichen Mordermittlungen mit ernsten privaten Angelegenheiten, schafft eine insgesamt prickelnde Atmosphäre. In Verbindung mit den präzise geschilderten Örtlichkeiten ergibt sich ein ungewohnt harmonisches Gesamtbild aus mörderischer Spannung, menschlichen Konflikten und entspannter Urlaubsstimmung. Ein wenig Erdkundeunterricht sowie zweisprachige Passagen runden das Gesamtbild ab. Zudem wurde die Urlaubsliste des Rezensenten nunmehr um ein weiteres Traumziel bereichert ...

 

Thomas Lawall - Dezember 2012

 

 

Für Fragen, Kritik und Anregungen steht unser Forum zur Verfügung

Home News Literatur Gedichte Kunst Philosophie Schräg Musik Film Garten Küche Gästebuch Forum Links Impressum