Literatur

Tickende Zeitbombe

von Elke Schwab


344 Seiten
© SOLIBRO Verlag, Münster 2017
www.solibro.de
ISBN 978-3-96079-029-7



Na endlich. Da ist er wieder. Wer? Na wer wohl: Der liebenswerteste Nebendarsteller in der kriminalistischen Literatur - Dieter Marx. Fans der Baccus-Borg-Krimireihe, die mit "Tickende Zeitbombe" nunmehr ihren sechsten Teil erfährt, kennen ihn natürlich. Und ebenso wie der Rezensent sind sie etwas betrübt, dass der Beamte aus der Drogenabteilung, wie gewohnt, immer nur im Hintergrund agieren darf. Seine stets bibelfesten Kommentare zementieren aber seinen Rang als zuverlässigen Kollegen und als weisen "Hausprediger" erneut.

Die Herren Oberkommissare Lukas Baccus und Theo Borg sind zum Schreibtischdienst verdonnert. Man ahnt Schlimmes, denn gutgehen kann das nicht. Auch wenn die beiden Lieblingsfeinde von Dienststellenleiter Wendalinus Allenbacher, der inzwischen zum Ersten Kriminalhauptkommissar befördert wurde, diesmal in schärfster Form zurechtgestutzt worden sind, entschließen sie sich, in einem aktuellen Fall zu handeln.

Zwar wissen sie noch gar nicht, ob es sich tatsächlich um einen echten Fall handelt, aber die Angelegenheit bringt etwas Abwechslung in den Büroalltag. Offiziell ist der Tod von Hausmeister Anton Molitor ein tragischer Unfall gewesen, während das Verschwinden einer polnischen Putzkraft bisher noch ungeklärt ist.
Merkwürdig jedoch, dass für die beiden im Fitnessstudio Beschäftigten so überaus schnell Ersatz gefunden wird.

Lukas kennt einen Besitzer des Studios und bei einer unverbindlichen Befragung wärmt man alte Zeiten wieder auf und entschließt sich spontan zu einer Zusammenarbeit, was bedeutet, dass Borg und Baccus sich zum regelmäßigen Training einschreiben. Mit von der Partie ist Staatsanwalt Renske, der allerdings eher etwas unfreiwillig teilnimmt und somit für die ersten heftigen Lacher in der Story verantwortlich zeichnet.

Typisch Elke Schwab, denn ihr Humor gehört genauso dazu wie der jeweilige Ernst der Lage. Rechtschreibfehler und holpriger Ausdruck leider ebenfalls. Schöne Grüße ans Lektorat. Formulierungen wie der "Stich der Liebe" oder "stieß einer ein 'Grmpf' aus" gehen gar nicht. Die zweidimensionalen Figuren eigentlich auch nicht, denn sämtliche Haupt- und Nebendarsteller haben alle etwas gemeinsam: Kein Gesicht.

Vielleicht nicht gewollt, vielleicht nicht gekonnt und vielleicht auch in dieser Art Kriminalroman gar nicht nötig. Weglesen und vergessen heißt die Devise. Die Geiselnahme in einem (real existierenden) Fitnessstudio ist haarsträubend unglaubwürdig und die mühsam zusammengebastelten Hintergründe erst recht. Hier wird im wahrsten Sinne des Wortes viel zu viel Staub aufgewirbelt.

Den fehlenden Tiefgang können die zahlreichen Opfer und der überzogene Theaterdonner nicht aufwiegen. Eine Prise Zeitgeschichte oder der Seitenhieb auf reißerische Berichterstattung der Medien ebenfalls nicht. Auch wenn genau jene bitterböse bestraft wird ...

Was stimmt, ist die Spannungskurve. Diese ist natürlich gegeben und die Choreografie der Autorin ist perfekt ausbalanciert und multipliziert sich nach zwei Dritteln der Lektüre sogar mit sich selbst, indem es an dieser Stelle erst richtig losgeht. Die ausgefeilten Dialoge heizen die Spannung zusätzlich an. In jedem beliebigen Fernsehkrimi dürften sie 1:1 übernommen werden.

Die Flüssig-geschrieben-Fraktion sowie der Gut-zu-lesen-Verein werden von "Tickende Zeitbombe" begeistert sein. Unsereiner ist ja schon froh und glücklich, wenn Dieter Marx ein klein wenig aus dem Schatten heraustreten darf.
Danke dafür! Irgendwie wirkt die Figur wie ein Pendant zur ewigen Nebenrolle von Chiem van Houweninge, bekannt als "Hänschen" im Tatort der 90er.

Fazit: Baccus und Borg haben ausgedient. Ab in den Zirkus mit ihnen. Als Pausenclowns. Dieter Marx gehört als Hauptdarsteller ins Rampenlicht, zumal er eh schlauer ist als die beiden Handtücher zusammen. Denn schließlich stecken ja bekanntlich nur leichtsinnige Leute die Stadt in Brand; "die Weisen aber dämpfen den Zorn".

 

Thomas Lawall - Januar 2018

 

 

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