Literatur

The Travel Episodes
Geschichten von Fernweh und Freiheit


von Johannes Klaus (Hrsg.)


352 Seiten
Originalausgabe Januar 2016
© Piper Verlag GmbH, München / Berlin 2016
www.malik.de
ISBN 978-3-492-40592-8



Keine zehn Pferde würden mich dazu bringen, eine Reise per Anhalter durch Pakistan auch nur entfernt in Erwägung zu ziehen. Um so drolliger finde ich deshalb die beiden Weltenbummler Morten Hübbe und Rochssare Neromand-Soma, welche genau diese Idee in die Tat umgesetzt haben. Ein Kurzbesuch reichte den beiden sympathischen Sesshaftigkeitsverweigerern natürlich nicht aus. Man musste quer durchs "Terrorgebiet" bis an die chinesische und indische Grenze.

Ich ... ja, ja, ja, die Ich-Form ist in einer Rezension verpönt, mir aber erstens egal und zweitens geht es in diesem Fall gar nicht anders. Ich frage mich also, warum ich gelegentlich immer noch Kriminalromane lese, denn was Rochssare und Morton zu berichten haben, ist spannender als jede mühsam zusammengeschraubte Action. Zudem ist das Erlebte echt und keine Fiktion.

Das gilt für alle anderen versammelten Herrschaften, die für "The Travel Episodes" Beiträge verfasst haben, gleichermaßen. Ihr Leben und Erleben ist fern von dem, was ich mir selbst je zutrauen würde, aber vielleicht ist es gerade deswegen so spannend. Neidlose Anerkennung und Hut ab - das macht großen Spaß zu lesen!

Egal ob man sich in Vietnam verliert, das Glück in der Antarktis findet, die eine oder andere Katastrophe auf den Philippinen erlebt, eine unerwartete Dusche in Marokko besichtigt, zwei Jahre mit einem Siebentonner von München nach Wladiwostok unterwegs ist, seine Ansichten über Tiger in Bangladesch ändert, beim Hochseesegeln so richtig die Hosen voll hat, mit dem Fahrrad in den Rocky Mountains unterwegs ist, einem Forstdreikampf im bayrischen Ohlstadt beiwohnt oder verbotenes Couchsurfing im Iran zelebriert.

Die Auswahl der Reportagen aus Travelepisodes.com und Reisedepeschen.de ist ebenso spannend wie abwechslungsreich. Auch die Ansprüche der jeweiligen Akteure können unterschiedlicher nicht sein. Die einen sind zu Fuß unterwegs, die anderen mit dem Fahrrad, und wieder andere bevorzugen schweres Gerät für ihre Reisen. Auch Motivationen und Erkenntnisse sind nicht unter einen Hut zu kriegen. Sich selbst finden steht wohl im Vordergrund, andere Menschen und Kulturen zu streifen aber ebenso wie die kritische Auseinandersetzung mit dem Reisen an sich, den Beweggründen und das, was man als brauchbare Erfahrungswerte mit nach Hause nehmen kann. Es kann aber auch vorkommen, dass man nach drei Tagen großer Freiheit schon wieder nach Hause zurück will, weil man eigentlich längst alles gefunden hat, was man suchen wollte.

Das Buch kann also vielfältiger nicht sein und schon deswegen nicht nur allen Kollegen Weltenbummlern, den noch unentschlossenen unter Fernweh Leidenden oder der Fraktion der Möchtegernnachfreiheitsuchenden, sondern auch allen Sesselpupsern und Stubenhockern, wie der Rezensent einer ist, Leuten also, die einfach verdammt gerne zu Hause sind und denen das alles viel zu anstrengend ist, wärmstens empfohlen werden.

Es kann gut sein, dass sich so manch einer bekehren lässt, allen unnötigen Ballast abwirft, sich endlich aus allen Fesseln befreit und einfach losläuft oder -fährt. Für mich darf ich das allerdings ausschließen. Oder vielleicht doch nicht? So leicht infiziert fühle ich mich schon. Wo waren jetzt gleich Gaskocher, wasserdichter Schlafsack und die anderen Sachen ...?

 

Thomas Lawall - April 2016

 

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