The Ending
von Iain Reid
240 Seiten © 2016 Iain Reid © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe Droemer Verlag www.droemer.de ISBN 978-3-426-30619-2
Jakes Freundin überlegt. Ein paar Wochen erst ist sie mit ihm zusammen. Dennoch spielt sie mit dem Gedanken, Schluss zu machen. Die ersten Tage mit Jake, der sie als einfühlsam und "therapeutisch" sowie als "komprimierte Uma Thurman" bezeichnet, geht sie in Gedanken noch einmal durch. Eigentümlicherweise ordnet sie sich und ihn eher in die Schublade der Randfiguren ein. "Jeder für sich genommen sind wir eher unspektakulär."
In einer größeren Menschenmenge gehen sie jeweils unter. Ganz anders, wenn sie zusammen sind. Dann fallen sie auf. Plötzlich richten sich Augen der sonst so unbeteiligten Masse auf sie. "Zusammen fallen wir aus der Reihe, so unterschiedlich sind wir."
Sie befinden sich auf einer langen Fahrt mit dem Auto. Jake möchte seine Freundin seinen Eltern vorstellen. Zudem ist es ihm wichtig, ihr zu zeigen, wo und wie er aufgewachsen ist. Wohl fühlt sie sich nicht unbedingt dabei. Schuldgefühle plagen sie bereits jetzt, obwohl sie die Beziehung mit ihm noch nicht beendet hat. Doch sie behält ihre Gedanken für sich. Auch das Problem mit dem Anrufer ...
Jakes Freundin grübelt. Unentwegt. Ihre Beobachtungen fasst sie in Worte, um jedes einzelne davon auf die Goldwaage zu legen. Sie könnte ihm doch von dem Anrufer erzählen, doch vielleicht würde sich das schlimmer anhören, als es tatsächlich ist. Auch die alte Geschichte von dem Mann an ihrem Fenster. Damals war sie ungefähr sechs Jahre alt. Doch wer interessiert sich für jene unheimlichen Bruchstücke aus der Vergangenheit.
Sie fragt sich, woher wir eigentlich wissen, dass etwas bedrohlich ist. "Woher kommt dieses Gefühl, dass etwas nicht harmlos ist." Sie hinterfragt alles. Achtet auf alles. Selbst auf die Geräusche seines Körpers nach einer Mahlzeit. Gleichzeitig hasst sie es, auf diese Dinge zu achten, behält aber auch diese Gedanken für sich. Stattdessen fragt sie: "Meinst du, deine Eltern haben Geheimnisse?"
Iain Reid hat mit "The Ending" ein intellektuelles Kammerspiel geschaffen, das zunächst mit einem (Psycho-)Thriller wenig gemeinsam hat. Und das ist auch gut so, denn jene von der Stange gibt es inzwischen wie Sand am Meer. Aber schon rein sprachlich schreibt er so manchen Kollegen an die Wand. Die Messlatte des Genres hat er in eine Höhe verschoben, die für viele unerreichbar sein dürfte. Dort wo eine platte Geschichte die Hauptrolle spielt, sind es in seiner unkonventionellen Geschichte die Tiefe seiner Charaktere, die hier das Ruder übernehmen. Unangenehm wird das Buch in jenen (zahlreichen) Passagen, wo es Leserinnen und Leser an das eigene private Dilemma erinnert. Wem in diesem Buch all die unausgesprochenen Fragen aus eigenen Beziehungen irgendwie bekannt vorkommen, wird reichlich bedient werden. Fragen bekommen so lange keine Antwort, bis man keine mehr stellt. Allgemeingültig wird das Buch auch in glänzenden Passagen, die eher beiläufig erwähnt werden. Es geht um Rätsel: "Jeder von uns hat sein eigenes zu lösen."
Die Folgen der zwischenmenschlichen Untiefen sind in diesem Fall jedoch fatal. Man beginnt es spätestens nach gut der Hälfte der Lektüre zu ahnen ...
Iain Reid bringt Anspruch und frischen Wind zugleich ins Genre. Sein Tauchgang in die menschliche Psyche erschreckt nicht unbedingt mehr, als dies bei King und Hitchcock nachzulesen ist. Seine philosophischen Analysen allerdings schon, zumal überhaupt nicht abzulesen ist, wie das alles enden wird. Bis zum Ende gibt es hier keinerlei brauchbaren Hinweise und alle Ideen dazu, auch die erkennbaren Schnittmengen zu Kings "Shining", werden letztlich vom Tisch gefegt. Der Schluss ist wie kein anderer.
Fazit: Psychothriller. Referenzklasse.
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