Literatur

The Dry

von Jane Harper


382 Seiten
Deutsche Erstausgabe
© 2016 by Rowohlt Verlag GmbH
"The Dry" © 2016 by Jane Harper
www.rowohlt.de
ISBN 978-3-499-29026-8



Einerseits sind die Leute in Kiewarra, einer kleinen Gemeinde mitten im australischen Nirgendwo, wütend auf Luke, der offenbar in einem Anfall von Verzweiflung seine Frau und seinen Sohn erschossen hat. Die Gefühle der Menschen, die seit Jahrzehnten in einer Dürreperiode ausharren, gestalten sich jedoch mehr als ambivalent.

Fast scheint eine seltsame Art Neid die Menschen umzutreiben. Da hat es jemand hinter sich gebracht und gleich die Familie mitgenommen und damit aus dem Elend der Gegenwart herausgerissen. Jene ist jetzt erlöst, während die verbleibende Dorfgemeinde weiterhin im staubigen Elend aus Missernten und unbezahlten Kreditverträgen verharren muss...

Aaron Falk verließ einst seine Heimatstadt und wurde Polizist in Melbourne. Nun ist er zurück, um an der Beerdigung seines engsten Jugendfreundes teilzunehmen. Prompt brechen alte Wunden auf und plötzlich nagen Zweifel an Lukes vermeintlicher Tat. Ein diabolisches Kammerspiel um Liebe, Eifersucht und menschliche Abgründe beginnt, zunächst jedoch auf ganz leisen Sohlen.

So kommt auch der Titel etwas "trocken" daher. Zurückhaltend gestalten sich auch der Klappentext sowie der Beginn der Geschichte. Jane Harper thematisiert ein Familiendrama, welches in der Realität leider hin und wieder seine Entsprechungen findet. Doch wie sollte ein unzweifelhafter Tatbestand einen Roman füllen, mögen sich potentielle Leserinnen und Leser fragen, bevor sie sich unweigerlich im Sog der Geschichte verlieren werden.

An dem vermeintlich klaren Fall scheitern zunächst auch die Fähigkeiten der zuständigen Behörden. Jane Harper überlässt es einem Nebendarsteller, Sergeant Raco, der dann so nach und nach seine Rolle in eine maßgebliche verwandelt, eine Handvoll magere Zweifel auszusäen und steigert hiermit fast unmerklich die anfänglich nur in Spurenelementen vorhandene Spannung.

Und das tut die Autorin in ihrem erstaunlichen Romandebüt mit ebenso geschickter wie hochsensibler Feder. Stück für Stück ergeben sich neue Fakten, die mit Mosaiksteinen der Vergangenheit beginnen, ein anderes Bild der Gegenwart zu zeichnen. Dort, wo Vorverurteilung, Unwissenheit, Dummheit, Neid und Missgunst sich zu einer explosiven Mischung vereinigen und vermeintliche Bodenständigkeit an Schwachsinn grenzt.

Fast scheint es unmöglich zu sein, sich mit aufrechtem Gang in einer durch Lug und Trug halbwegs gefestigten Bastion aus Angst zu bewegen. Aaron Falk stellt sich dem Pöbel, obgleich selbst aus dramatisch-tragischen Familienverhältnissen stammend und keinesfalls mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein ausgestattet. Ein mutiger aber keineswegs ungefährlicher Entschluss.

Jane Harper inszeniert die akribische Suche nach Wahrheit in reaktionärem Kleinstadtmief als düsteres Kammerspiel ebenso brillant wie realistisch in Szene gesetzt!

 

Thomas Lawall - Januar 2017

 

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