Solange es leicht ist
von Herman van Veen
240 Seiten © 2018 Herman van Veen © 2019 der deutschsprachigen Ausgabe Knaur Verlag www.knaur.de ISBN 978-3-426-21462-6
Wenn ein Musiker und Entertainer 180 CDs und 80 Bücher veröffentlicht hat, darf man gespannt sein, was er in einem weiteren Buch überhaupt noch zu sagen hat. Kennt man Herman van Veen von Konzertbesuchen, ahnt man erstens, dass es sehr viel sein wird und zweitens, dass er alle Dramen, so schlimm sie auch werden mögen, mit einem Lächeln besiegeln und damit besiegen wird.
Wobei man das Alter nicht wirklich besiegen kann. Besingen aber schon. Und mit 74 Jahren herumhüpfen funktioniert auch noch recht gut, was der Meister u. a. bei seinem diesjährigen Konzert in Stuttgart eindrucksvoll bewiesen hat. Insofern waren für das Titelfoto des Buches keinerlei Tricks vonnöten ...
In Abwesenheit der Eltern fand der elfjährige Herman dereinst, hinter Büchern versteckt, ein Buch über den zweiten Weltkrieg. Jetzt versteht er, "weshalb die Stimmen seiner Eltern leiser wurden, wenn sie über den Krieg redeten". Zerstörte Städte und der millionenfache Tod waren für ihn Neuland. Nichts mehr war wie vorher. Vielleicht das Ende seiner Kindheit. Und der Beginn einer diffusen Angst.
Jener nicht greifbare Zustand hielt an, bis eine Lösung des Dilemmas heranschlich. Herman fand etwas heraus: "Etwas sehr Kluges und Kleines." In eine "andere Dimension" zu reisen brachte Erlösung und "sich klein denken". Oberhalb der Gardinenstange gab es ein Loch, welches in eine rettende Parallelwelt führte. "Lang lebe die Fantasie."
Die zahllosen Geschichten und Erinnerungen haben alle etwas gemeinsam. Sie verzweigen sich endlos, kommen vom Hundertsten ins Tausendste, und nehmen jeweils, aus den Tiefen der Vergangenheit, Bezug auf die Gegenwart in all ihren Farben und Schattierungen. So zu erzählen ist alles andere als gewöhnlich und dabei merkwürdig anregend. Es fegt einseitige Betrachtungen auf der Stelle ins Nichts und ad absurdum.
Alles scheint mit allem in Verbindung zu stehen. Rückblenden in detaillierte Kindheitserinnerungen, die Tragödie seiner nicht vorhandenen Geschwister, Selma Meerbaums Gedichte, die schwarze Wand, die er manchmal sieht, anatomische Details einer "Sex Doll", ein Zahnarztbesuch, oder die Quantentheorie und überhaupt die ganze Achterbahn seines Lebens.
Doch egal was passierte und passiert, immer wieder sind es die Wendungen, die eine Katastrophe plötzlich ins Gegenteil verkehren. Vielleicht ist es so, weil Herman van Veen das Staunen einfach nicht lassen kann. Sein Publikum tut es seit 50 Jahren und doch ist er es, wie er schreibt, der am meisten staunt.
Ja, er wird älter, aber, wie soll es auch anders sein, er macht aus dieser Not eine Tugend. Da steht ein Stühlchen auf der Bühne, auf welchem er immer öfter einfach mal ein Päuschen einlegt. Seinen jüngeren Kolleginnen und Kollegen gibt er dann gerne "Raum zum Glänzen".
Es ist mit diesem Buch wie bei den Konzerten. Man nimmt ein Füllhorn an Eindrücken mit, um fortan frohen Mutes und mit stark erweitertem Horizont seinen ganz persönlichen Weg weiterzugehen. Mit einer Träne im Auge und dem Blick auf den Platz zwischen den Wolken.
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