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Smart City
von Daniel Wisser
412 Seiten © 2025 Luchterhand Literaturverlag www.luchterhand-literaturverlag.de ISBN 978-3-630-87709-9
Mindestens eine Sache spielt sich in der Smart City NEUDA genauso ab wie in allen anderen Städten und Gemeinden. Weihnachten steht vor der Tür und niemand scheint sich mehr für Kriege, Hungersnöte und andere Katastrophen zu interessieren. Kochrezepte für Kekse oder Bastelanleitungen für entsprechende Dekorationen und natürlich die Ab- und Ausarbeitung von Wunschlisten sind wesentlich interessanter.
Die Journalistin Morag Oliphant befindet sich seit wenigen Tagen in NEUDA, in der Nähe Wiens gelegen, und hat mit der Eingewöhnung diverse Probleme. Sie versucht sowohl beruflich als auch privat einen neuen Anfang, nachdem ihr Mann, ein Enthüllungsjournalist, und ihre Tochter überfallen und getötet wurden.
Sie selbst kam erst spät in der Nacht nach Hause, doch die Täter waren noch anwesend und schlugen auch sie zusammen. Sie überlebte schwer verletzt und traumatisiert. Die Täter konnten bislang nicht ermittelt werden. Ihren Beruf will sie weiterhin ausüben und wagt einen Neuanfang als Redakteurin bei der "Timeline" in NEUDA.
Sicherheit und gehobene Lebensqualität stehen in NEUDA an erster Stelle. Die Konzepte gehen in diesem Pilotprojekt weit über jene in anderen Städten hinaus. Der öffentliche Nahverkehr ist kostenlos, Taxis ebenso, Verkehrsunfälle gibt es nicht, Gewalt ist ebenso ein Fremdwort wie Armut und Obdachlosigkeit.
Schön auch, dass Straßenbeleuchtung nur bei Bedarf angeht, Raumcomputer Licht, Temperatur und musikalische Untermalung regeln, auf Schlaf- und Wachzeiten hinweisen, im Notfall selbständig für Rettung sorgen und dass die Smart City selbst auf Pensionen für Topfpflanzen, die im Urlaub von Bewohnern gerne beansprucht werden, nicht verzichtet.
Weniger schön sind Stil und Ausdrucksweise des Textes, der leider wenig ansprechend und etwas hölzern daherkommt. Permanent werden die Namen der handelnden Personen wiederholt, wobei stets auch der Nachname genannt wird, was seltsam amtlich klingt, und manchmal leider schlicht auf die Nerven geht. Langatmige Passagen werden nur noch durch mitunter bedeutungslose Dialoge übertroffen.
Zudem kommt der Roman weitgehend ohne wirkliche Spannung aus. Zweifellos vermittelt der seltsam vereinfachte Stil, der mitunter an ein Jugendbuch erinnert, eine unterschwellige Ahnung der wenig positiven Art. In dieser Stadt stimmt etwas ganz und gar nicht, was aber dermaßen langweilig in Szene gesetzt ist und zum permanenten Überfliegen animiert.
Spektakuläre Morde, politische Verstrickungen in und außerhalb der Smart City, insbesondere der aktuellen Wahl "draußen" und der ersten innerhalb NEUDAS, Morag Oliphants Bemühungen, die Morde an ihrem Mann und ihrem Kind aufzuklären, sowie das ganze Projekt einer "fortschrittlichen" Stadt und dem Motto des Buches "Freiheit oder Sicherheit? Demokratie oder Überwachung?" sind ein Riesenthema.
Dieses gewaltige Potential ist aber weitgehend verschenkt worden. So scheint auch das einzig Befriedigende an "Smart City" zu sein, sich bis zum Ende wacker durchgekämpft zu haben, um sich gleichwohl zu fragen, ob sich die Lektüre irgendwie doch gelohnt haben könnte.
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