Literatur

Schön tot

von Edith Kneifl


176 Seiten
© 2009 Haymon Verlag, Innsbruck-Wien
www.haymonverlag.at
ISBN 978-3-85218-610-8



Die Whisky-Flasche ist leer, doch die liebevolle Nervensäge Orlando hellwach. Katharina Kafka ist todmüde und wollte eigentlich zeitig ins Bett gehen, doch so wie es aussieht, würde Orlando noch lange keine Ruhe geben. Nun verlangt er auch noch, dass sie ihre Karten holen soll. Schließlich müsse er wissen, ob er überleben wird oder nicht. Leider hat Katharina die abgegriffenen Karten aber längst weggeworfen, bietet ihm aber schmunzelnd an, ihm die Zukunft aus Bohnen oder Maiskörnern vorhersagen zu können, falls sie welche im Haus hätte ...

Katharina Kafka, 39 Jahre alt, arbeitet als Kellnerin im Café Cuadro, einem der Lokale im Schlossquadrat in Wien-Margareten. Die ebenso rothaarige wie arbeitslose Magistra der Geisteswissenschaften, die noch immer kein geeignetes Thema für ihre Dissertation gefunden hat, will endlich nach Hause, nachdem das Lokal pünktlich um Mitternacht geschlossen wurde. Die letzten Tage waren anstrengend für sie, denn schnell sprach es sich herum, dass sie Zeugin einer Gasexplosion ganz in der Nähe war. Dieses Ereignis war im Viertel natürlich Gesprächsthema Nr. 1, zumal es sich bald herausstellte, dass in dem alten Haus irgendetwas nicht gestimmt hatte. An der Gasleitung wurde manipuliert. Eine junge Frau aus dem Kosovo, die am frühen Morgen in der Praxis von Doktor Bischof geputzt hatte, kam ums Leben, als sie sich eine Zigarette ansteckte und damit das Haus in die Luft jagte.

Sie verlässt das Lokal durch den Seiteneingang und bemerkt, dass die Tür zur Damentoilette einen Spalt offen steht. Da sie niemanden einschließen will, entschließt sie sich zu einer Kontrolle, geht hinein und schaltet das Licht ein. Das erste, was sie bewusst wahrnimmt, ist "ein Traum von einem bordeauxroten Lackschuh mit zehn Zentimeter hohem Bleistiftabsatz". Auf dem Boden liegt "Kaiserin Sisi" in einem langen weißen Kleid. Sie stöhnt. Und da ist jede Menge Blut. Schritte entfernen sich vom Ort des Geschehens, doch Katharina bleibt, um der Frau zu helfen ... die jedoch gar keine ist.

Die beiden teilen nicht unbedingt eine enge Freundschaft, aber sie verstehen sich bestens, seit sie sich bei einem Barkeeper-Kurs kennengelent hatten. Orlando ist Ende zwanzig, witzig, zickig und schwul - lediglich dass er auch Transvestit ist, ist für sie eine Überraschung, weshalb sie auch in dieser Situation etwas unpassend reagiert und fragt: "Wie schaust du denn aus? Der Fasching ist längst vorbei." Orlando kontert Unverständliches und sie will sofort die Rettung alarmieren, doch nun reagiert er sofort, denn auf keinen Fall will er mit der Polizei etwas zu tun haben. Er berichtet, dass man mit einem Ice Pick auf ihn eingeschlagen hat. Wie in "Basic Instinct, nur mit dem Unterschied, dass der verwendete Pick sechs Zacken hatte! Glücklicherweise hätte der Angreifer aber nur seinen Busen damit zerhackt - also die "Brustprothese", wie er noch ergänzend hinzufügt.

Orlando ist allerdings schwerer verletzt, als er zunächst wahrhaben möchte. Katharina findet eine schreckliche Fleischwunde unter der rechten Schulter und will erst einmal die Blutung stillen. Sie reißt ein Stück vom Saum des Kleides ab und presst es auf die Wunde, was die nächste heftige Reklamation des Opfers auslöst, denn schließlich hätte das Kleid 300 Euro gekostet!
Den nächsten Protest gibt es, als sie ihm reinen Alkohol auf die Wunde kippt, den sie rasch im Keller des Cuadro besorgt. Anschließend gibt es noch einen provisorischen Druckverband aus Servietten und zuvor auf die Wunde gelegte, frisch gepflückte Salbeiblätter aus dem hauseigenen Kräutergarten. Nach Hause möchte Orlando auf keinen Fall, da er dort den Killer vermutet, der sein Werk ganz bestimmt vollenden will. Folglich schleppt ihn Katharina zu sich nach Hause und dort geht die Lachplatte weiter ...

... denn jetzt muss erst einmal das sehr eng geschnürte Korsett - ebenfalls blutig und zerfetzt - ausgezogen werden. Rasch wird ein Notbett auf der Chaiselongue eingerichtet und Orlando in Ermangelung eines Schmerzmittels mit Whisky behandelt. Leider denkt er gar nicht daran, sich hinzulegen und wirkt nach einem doppelten Espresso und der hochprozentigen Medizin wie neu geboren und fragt nach einem Joint, den ihm Katharina aber leider nicht anbieten kann. Schließlich schildert er den Tathergang und wie er sich gegen den Angreifer erfolgreich gewehrt hat. Mit seinen Schilderungen kommt er zu keinem Ende und gegen drei Uhr wechselt er plötzlich das Thema und sieht einen Zusammenhang zu einem anderen Verbrechen, denn er war es, der vor gar nicht langer Zeit das erste Opfer gefunden hatte. Es war die schöne Tote im Bacherpark - die mit dem Webpelzmantel und dem hochgerutschten Minirock, der ihren "nackten Hintern entbößte". Orlando erinnert sich genau, dass sie keinen Slipp trug, dafür aber schwarze Strümpfe und violette Strapse. Ihr schwarzes langes Haar auf dem schneebedeckten Boden erinnerte ihn sofort an Schneewittchen. Auf der linken Arschbacke hatte sie eine große Tätowierung - ein feuerspeiender Drache - und von diesem "phantastischen Anblick" hätte er sich nur schwer losreißen können ...

Mit seinen weiteren Beschreibungen treibt es Orlando dann auf die Spitze, und schließlich schlägt er vor, gemeinsam mit Katharina die Frauenmorde in Margareten aufklären zu wollen ...!

Es ist nicht der erste Klappentext, der uns etwas weismachen will - was insofern schade ist, da alle Fans von Psychothrillern vielleicht enttäuscht sein werden. "Schön tot" ist nämlich keiner. Punkt. Und das war es dann auch schon mit Kritik, denn dieser Krimi hat das, was Psychothrillern meist fehlt: Humor. Aber nicht irgendeinen Humor, sondern die überaus schräge Wiener Variante. Und diese besondere Gattung vermag Edith Kneifl gnadenlos einzusetzen. Die in Wien lebende Psychoanalytikerin und Schriftstellerin schüttelt auf eine ebenso schwer zu beschreibende wie hinterlistige Art und Weise Pointen aus dem Ärmel, dass man mit dem Lachen schier nicht mehr hinterher kommt. Nicht selten baut die Autorin diese Situationskomik selbstverständlich genau an den Stellen ein, wo sie der Leser als Letztes erwarten würde!

Die Schauplätze sind authentisch und das Flair im Viertel des Schlossquadrats ist erlebbar. Wir befinden uns als Leser mitten in Wien-Margareten und erleben das Böse hautnah. Und was kann schlimmer sein, als ein "Mordalarm" in der unmittelbaren Nachbarschaft und ein Täter, der sich möglicherweise mitten unter uns versteckt ...

 

Thomas Lawall - April 2010

 

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