Literatur

Schab nix gemacht

von Kai Lange


256 Seiten
© 2013 Knaur Taschenbuch
www.knaur.de
ISBN 978-3-426-78621-5



"Schraste aus, schwör!" Der Schulalltag gestaltet sich nicht einfach mit Akin. Egal was er angestellt hat, niemals ist er sich auch nur im Geringsten einer Schuld bewusst. Seine Interessengebiete sind sehr überschaubar und beschränken sich in aller Regel auf Waffen und Katastrophen aller Art, Handys und "ein wenig auf Mädchen". Selbst wenn er vor Zeugen eine Glasflasche gegen die Wand wirft, fühlt er sich weder verantwortlich noch schuldig. Statt dessen beteuert er seine Unschuld: "Das warschnisch! Schab nix gemacht!" Viel wird er in seinem Leben nicht erreichen können - doch immerhin gab er diesem Buch einen Titel.

Also, man weiß bei "Schab nix gemacht" oft nicht so genau, woran man ist, ob man lachen oder weinen sollte. Der ganz "normale" Schulbetrieb in der Hauptschule scheint sich schlimmer zu gestalten, als sich viele Menschen (der Rezensent inbegriffen) dies bisher vorgestellt haben. Kein Tag scheint ohne massive Probleme auszukommen, was zum einen maßloses Entsetzen und zum anderen grenzenlose Bewunderung für die Lehrer hervorbringt.

Der Lehrkörper braucht schon eine ganze Reihe Patentrezepte und jede Menge gesunden Menschenverstand, um sich der täglichen Zerreißprobe stellen zu können. Die sog. "Instant-Streitschlichtung" konnte mich insofern begeistern, da hier der Problemschwerpunkt unmittelbar an der Wurzel gepackt wird. Streitereien stehen mehrmals auf der Tagesordnung, und es ist völlig unmöglich herauszubekommen, wer nun jeweils die Schuld an der aktuellen Auseinandersetzung trägt. Da selbstverständlich jeder unschuldig ist, empfiehlt Kai Lange statt langwierigen Diskussionen den direkten Weg. Es gilt lediglich kurz zu ermitteln, wer zuerst "Hurensohn" gesagt hat!

Oft scheint einem auch gar nichts anderes übrig zu bleiben, als das ganze Drama mit Humor zu nehmen. Nur so kann die Verzweiflung, die sich nicht selten einstellt, überwunden werden. Im Lehrerzimmer sorgt so das eine oder andere Highlight für Stimmung, und ohne diese wäre das graue Tagwerk fast nicht zu ertragen. So manches Ereignis bringt jedoch den abgebrühtesten Pädagogen an den Rand der Verzweiflung und veranlasst ihn zum "Schrei nach Schmerzensgeld".

Ein Beispiel für eher "harmlosere" Anekdoten ist die Frage eines Siebtklässlers, der nach Unklarheiten in einem Text befragt wird: "Was ist Porzellan?" Ein Klassenkamerad kommt ihm zu Hilfe: "Das ist so ähnlich wie Holz ... äh ... nur aus Plastik."
Sehr schön gestaltet sich in einer achten Klasse auch die Suche nach der Herkunft des Wortes "gefährdet". Eine spontane Antwort lautet: "Pferde."
Ebenso sensationell ist Benedikts Antwort auf die Frage von Jayden: "Was heißt Pommes auf Englisch?" Der Achtklässler antwortet: "Fritten".

Mitunter ergeben sich völlig unerwartet derart haarsträubende Fehler, Formulierungen, Übersetzungen, Ein- oder Ansichten, weshalb es schon einmal vorkommen kann, dass der kampferprobte Autor einmal einen ganzen Vormittag lang seine Kinnlade vergeblich zu finden versucht!

So ganz nebenbei setzt uns der Autor in Kenntnis, dass Poesiealben offenbar gänzlich verschwunden sind und neben seiner (Kurz-)Geschichten-Sammlung bietet er auch längere Texte an, beispielsweise den haarsträubenden Bericht einer Fahrt nach Kroatien. Persönliche Bestandsaufnahmen gehören ebenfalls dazu sowie etwas Kritik am System.

Auch handfeste Auseinandersetzungen gehören zum Alltag und können oft nur um Haaresbreite vermieden werden. Es gehört schon jede Menge Geduld und Fingerspitzengefühl dazu, eine drohende Eskalation zu vermeiden. Sich mit dem Lehrerberuf ohne Wenn und Aber zu identifizieren gehört ebenfalls dazu, auch wenn es für den erstaunt-entsetzten Außenstehenden nach dieser Lektüre nicht mehr so leicht nachzuvollziehen ist.

Kai Lange schreibt seine Schulgeschichten aus Leidenschaft. Denn was ihn antreibt, ist nicht nur seine Berufung, sondern auch eine Liebe zu den Kindern. Er lacht über sie, aber er lacht sie nicht aus. "Schab nix gemacht" gewährt ganz erstaunliche Einsichten von einem, der nichts anderes als Lehrer sein will. Für Kai Lange ist es, auch wenn es nur manchmal jene bestimmten Momente sind, der schönste Beruf der Welt.

 

Thomas Lawall - November 2013

 

 

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