RohVegan 100 Rezepte - natürlich raffiniert
von Christine Mayr
288 Seiten © 2015 AT Verlag, Aarau und München www.at-verlag.ch ISBN 978-3-03800-841-5
Als die Autorin Mitte der 90er Jahre in einem kleinen Restaurant in San Francisco zum ersten mal mit "Raw Food" Bekanntschaft machte, war es um sie geschehen. Es entstand die Faszination für Menschen, die bei der Nahrungszubereitung sämtliche konventionellen Wege verlassen haben. Die "Raw Cuisine" verzichtet nicht nur auf jegliche tierische Produkte sondern auch auf das Erhitzen der Speisen auf dem Herd und im Backofen!
Christine Mayr, ausgebildete Rohkostköchin und -Instruktorin, bezeichnet diese Küche als einen "Hochgenuss für alle Sinne" und ist sich sicher, dass diese "den Zeitgeist eines modernen, bewussten Lebens" trifft. Erfreulicherweise verzichtet sie dabei auf jede Art erhobenen Zeigefingers. Sie versteht ihr Werk als Inspiration, diese Art des Kochens in den täglichen Küchenalltag einfließen zu lassen, und erreicht auf diese einfühlsame Art wahrscheinlich mehr, als jene, die konventionelle Wege vehement verteufeln.
Für den Laien und Anfänger dieser Richtungen scheint mir das Buch allerdings kein leichter Einstieg zu sein. Man muss sich zunächst einmal durch theoretische Notwendigkeiten durcharbeiten, ob es nun beispielsweise die Zubereitungstechniken oder einfach nur Küchenwerkzeuge sind. Aber auch hier verzichtet Christine Mayr auf unverständlichen Theorie-Bombast. Abgelenkt wird man zudem von der außerordentlichen Qualität der Fotos, wobei sich der ungeschulte Rookie immer wieder fragen dürfte, ob er das denn je so hinbekommen wird.
Wahre Kunstwerke sind beispielsweise ein "Rote-Beete-Trauben-Carpaccio mit Blaubeeren-Honig-Senf-Sauce" oder die zutatenreichen Rezepte für "Albondigas mit Tomaten-Kapern-Salsa" und "Wildreis-Meergemüse-Paella". Völlig überrascht haben den Rezensenten dann die Herstellung von "Spaghetti" aus Zuccini oder "Tagliatelle" aus Pastinaken und Karotten. Man muss wirklich mehrmals hinschauen, bis man begreift, dass hier keine gemeinen Nudeln abgebildet sind!
Faszinierend und anregend zugleich ist ein filigranes Meisterwerk, welches geeignet scheint, einen einfachen Kohlrabi in den Adelsstand zu erheben. Auch hier handelt es sich natürlich nicht um die altbekannten Ravioli, sondern um hauchfein gehobelte Kohlrabischeiben, die gemeinsam mit ausgewählten Zutaten "Gefüllte Kohlrabi-Ravioli mit Trüffel-Salbei-Nussfleisch" ergeben.
Abgerundet werden die kulinarischen Besonderheiten durch ein wenig Fachwissen gegen Ende des Buches. Interessantes über Obst und Gemüse, Nüsse, Öle, Pilze, natürliche Würzmittel und vieles mehr weiß die Autorin zu berichten. Wer hätte gedacht, dass Karotten ursprünglich aus dem Iran, Radieschen aus dem westlichen Asien oder Spargel aus dem alten Ägypten stammen?
Auch die künstlerische Seite sollte Erwähnung finden. Der Foodfotograf Paul Esculies arbeitete in seinem Studio in Barcelona mit der Autorin zusammen, wobei sich eine technische Besonderheit ergab. Die Fotografien wurden ähnlich konsequent wie die abzubildenden Gerichte und Zutaten hergestellt. Während die Rezepte ausschließlich mit pflanzlichen Ingredienzen auskommen müssen, durften die Bilder nur mit natürlichem Licht in Szene gesetzt werden. Entsprechend "raw" sind die Fotos und von einer Originalität, die ein sinnliches Erlebnis ist.
Die Vertreter der reinen Lehre werden in jedem Fall jubilieren. Aber auch für alle anderen, die in Sachen gesunder Ernährung einmal einen Blick über den Tellerrand wagen, ist "RohVegan" geeignet. Ein Kunstwerk in Wort und Bild ist das Buch allemal.
|