Literatur

Bau und Leben der Rhinogradentia

von Prof. Dr. Harald Stümpke
mit einem Nachwort von Gerolf Steiner

Illustrationen von Gerolf Steiner

Gustav Fischer Verlag Stuttgart  1981
ISBN 3-437-30083-0


Die erste Atombombe detonierte am 16.07.1945 auf einem Versuchsgelände bei Los Alamos (New Mexico). Die Schäden waren damals nicht absehbar. Die ungeheure Wirkung von Licht-, Wärme- und insbesondere Gammastrahlung wurde völlig unterschätzt.

Mehrere zusätzliche Versuche, die streng geheim gehalten wurden, verursachten eine Umwelt-Katastrophe, die immer wieder heruntergespielt und schließlich völlig in Vergessenheit geriet. Damals noch kein Thema. Eine ganze Inselgruppe - das "Heieiei-Archipel (Hi-Iay-Islands)" - versank damals infolge nicht vermuteter tektonischer Spannungen, welche die 200 Kilometer entfernte Sprengung auslösten. Auch das legendäre Darwin-Institute of Hi-Iay versank für immer.
Die geologische, botanische, zoologische und völkerkundliche Bedeutung der Inselgruppe bedeutet einen nie wieder gut zu machenden Verlust für die Wissenschaft, ja für die gesamte Menschheit! Technikwahn zerstörte eine einzigartige Pflanzen- und Tierwelt.

Wie eine Ironie des Schicksals mag erscheinen, dass dieses unberührte Paradies erst 1941 entdeckt wurde. Als Entdecker gilt der Schwede Einar Petterson-Skämtkvist. Aus der japanischen Gefangenschaft geflohen, betrat er als erster Mensch die Insel Heidadaifi (Hi-Duddify). Die Insel hatte damals ca. 700 Einwohner - wahrscheinlich polynesischen Ursprungs. Das friedliche Volk nannte sich Huacha-Hatschi (Hookha Huchy). Leider war es sozusagen in mehrfacher Hinsicht dem Untergang geweiht, denn der Entdecker brachte einen ordentlichen Schnupfen auf die Insel mit. Bis dato war diese Krankheit dort unbekannt...

In etwa entsprach die Fauna die der bekannten mittel- und ostpazifischen Inseln. Jedoch entwickelte sich die Tierwelt in eine gänzlich andere Richtung. Die "Naslinge", welche unter den Säugetieren eine ganz besondere Stellung einnehmen, lebten offenbar vollkommen isoliert von der übrigen Welt.

Insbesondere die Verhaltensweisen sind unter den Säugetieren, ja den Wirbeltieren überhaupt, gänzlich neu zu bewerten. Auch die ökologischen Typen gelten in Fachkreisen bis heute als wahre Sensation. Es wären noch Jahrzehnte an zusätzlicher Forschungsarbeit nötig gewesen. Doch das ist Vergangenheit und wir haben es wohl dem Spezialisten Bromeante de Burlas und nicht zuletzt den Zeichnungen Gerold Steiners zu verdanken, heute wenigstens eine Ahnung zu bekommen, was für immer im Pazifik versank.

An dieser Stelle möchte ich dem Leser nur einige Gruppen nennen, die gleichermaßen nachhaltige Eindrücke und ehrfürchtige Faszination bei mir hinterlassen haben.

Es sind dies die Einnasen (Monorrhina), Urnasen-Artige (Archirrhiniformes), Weichnasen (Asclerorrhina), Erdnaslinge (Georrhinida) und nicht zuletzt die Langschnauzennaslinge (Dolichoproata).

Die Beschreibung der einzelnen Gruppen, sowie den Unterordnungen, wird von Stümpke bis ins letzte Detail und in allgemein verständlicher Form beschrieben. Ebenso genau wie eindringlich sind die erwähnten Zeichnungen. Das Buch ist mit knapp 90 Seiten überaus leicht verdaulich. Mit weitergehenden Literaturhinweisen spart der Verfasser aber keineswegs!

Erfreulich, dass auch die weiteren Schriften von Bromeante de Burlas y Tonterias (z.B. "A systemática dos Rhinogradentes. Bull. Darwin Inst. Hi. 2; 45, sowie "Os Polyrrhines e a dervacao d'elles. Boll. Braz. Rhin. 1;77 und nicht zuletzt "The hides of Rhinogradentes and their grain. Nature (Danuddles-borough) 92; 2) freundliche Beachtung finden.

Selbst umstrittene Theorien, wie die von Bleedkoop, werden offen angesprochen. In seiner denkwürdigen Schrift von 1945 wagte er die Theorie, dass Christian Morgenstern bereits in den Jahren 1893 bis 1897 von der Existenz der Naslinge Kenntnis hatte und dies in einem seiner Gedichte zum Ausdruck brachte (Bleedkoop, Fr. 1945: Das Nasobemproblem. Z. v. Lit. 34; 205.)

Alles in allem ein gelungenes Werk, ein wahres Kleinod im trockenen Sumpf der Sach- und Fachliteratur, das auch im neuen Jahrtausend leider noch viel zu wenig Beachtung findet. Denn es eröffnet nicht nur kopflastigen Wissenschaftlern, sondern auch dem interessierten Laien völlig neue Perspektiven: Ein Einblick in die Faszination einer heilen Welt, die es nicht mehr gibt! Dies zu begreifen heißt, uns selbst - die real Existierenden - mit anderen Augen zu sehen. Denn auch wir werden eines Tages untergehen...


Thomas Lawall - Februar 2002 (Überarbeitet im November 2004)

 

 

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