Replay – Das zweite Spiel
von Ken Grimwood, 1988
411 Seiten Deutsch von Norbert Stöbe Heyne 2. Auflage, 2005 ISBN-10: 3453520106 ISBN-13: 978-3453520103
Synopsis:
Am 18. Oktober 1988 stirbt Jeff Winston 43-jährig an einem Herzinfarkt. Wider Erwarten wacht er in einem ihm bekannt vorkommenden Zimmer auf. Es ist sein Wohnheimzimmer vom College. Wir schreiben das Jahr 1963, Jeff ist wieder 18 und sein ganzes Leben liegt wieder neu vor ihm. Um die Erfahrungen seines ersten Lebens reicher kann er diesmal alles richtig machen. Durch Wetten auf ihm bekannte Sportergebnisse wird Jeff schnell reich und baut ein großes Firmenimperium auf. Er setzt sein Kapital dazu ein, die Welt ein bisschen besser zu machen, versucht das Attentat auf Kennedy zu verhindern und stirbt am 18. Oktober 1988. Wieder erwacht er 1963 – ein neues Replay beginnt… Im Laufe von verschiedenen Replays spielt Jeff verschiedene Lebensentwürfe durch. Doch alles, was er dabei erkennt, ist die Irrelevanz dessen, was er in vorhergehenden Replays erreicht. Er kann weder seine eigene Welt, noch die Welt an sich verbessern. Immer ist die Welt 1963 im alten Zustand. So beginnt er sich Gedanken über den Grund hinter den Wiederholungen zu machen und ob er der einzige Wiederholer ist. In einem seiner Leben trifft er auf die Wiederholerin Pamela, die einen Film über Replays gedreht hat. In ihren Augen erleben alle Menschen Replays, sind sich dessen aber nicht bewusst. Sie sieht sich als Erweckte, deren Auftrag es ist, den Menschen die Augen zu öffnen. Jeff und Pamela schließen sich zusammen und versuchen über verschiedene Replays gemeinsam deren Geheimnis zu ergründen. Bis die Wiederholungen irgendwann aufhören und der Tod auf sie wartet …?
Kritik:
Eine große Stärke von Grimwoods Roman ist seine Vielschichtigkeit. Dadurch kann der Leser auch bei mehrfachem Lesen immer wieder neue Facetten entdecken und Gedankenanstöße bekommen. Drei Ebenen möchte ich herausgreifen: Welche Relevanz, welchen Sinn hat mein Leben – sowohl im alltäglichen, als auch in der globalen Geschichte? Sind die Beziehungen, die ich führe, wirklich beliebig? Worin besteht ein glückliches Leben?
Im Rahmen dieser Fragen zeichnet Replay ein spannendes Psychogramm der Protagonisten in der Wiederholungssituation. So finden wir Jeff im ersten Replay enthusiastisch darüber, dass er nun alles richtig machen kann. Im Laufe der Erfahrungen und Enttäuschungen, die er erlebt, wandelt sich die Begeisterung in Resignation, bis er Pamela trifft. Seine Lebensentwürfe und Beziehungen ändern sich dementsprechend radikal.
Die Suche nach dem Warum der Replays – und damit nach dem Sinn ihres Lebens – bleibt für die beiden der Antrieb durch alle Leben. Doch genau hier bleibt der Autor den Protagonisten und dem Leser die Antwort schuldig. Zwar bietet Grimwood einige Theorien zu den Replays an, aber keine davon ist die Antwort. Das ist in meinen Augen ein genialer Punkt in Replay. Denn in diesem Rätselhaften steckt der Schlüssel zu den tiefer liegenden, existentiellen Fragen. Der Leser wird selbst auf die Sinnfrage zurückgeworfen.
Im gesamten Roman geht Grimwood davon aus, dass wir nur die kleine Welt aus unseren Beziehungen variieren können. So ist es der Weltgeschichte egal, ob Jeff in einem Replay ein riesiges Firmenimperium hat oder im nächsten halt nicht. Nur in einer Wiederholung werden Jeff und Pamela Spielball der Mächtigen – und durch ihre Informationen über die Zukunft verändern sie die ganze Welt.
In den Beziehungen, die Jeff führt, sucht er letzten Endes sein Glück. Er findet es in gewisser Weise mit Pamela, allerdings versucht er in anderen Leben auch, die Ehe zu retten, die er im ersten Leben führte. Einmal heiratet er seine Jugendfreundin, einmal gibt er sich einem völlig promiskuitiven Lebensstil hin. Es ist spannend mitzuverfolgen, wie Jeff sein Leben gestaltet und seine Suche nach Liebe in vielen Leben führt – auch mit allen Fehlern.
Besonders gefallen haben mir in der Ausgestaltung die vielen feinen Details mit denen die jeweiligen Zeitepochen beschrieben werden, seien es Musikstücke, die erwähnt werden, gesellschaftliche Restriktionen, geschichtliche Ereignisse oder auch die Mode. Daraus ergibt sich für die Protagonisten ein Hinweis, wann sie aufgewacht sind, aber der Leser bekommt auch durch die Augen des Protagonisten einen Einblick in die Zeit und in die Veränderungen, die tatsächlich in den 25 Jahren vonstatten gegangen sind. Dabei ist es faszinierend mitzuerleben, wie Jeff versucht, sich wieder in diese „alte“ Welt einzuleben ohne aufzufallen und ohne zuviel von sich aufzugeben.
Wer bei Replay eine Variante von „Und täglich grüßt das Murmeltier“ erwartet, wird bitter enttäuscht werden. Das Buch ist keine lockere, romantische Komödie, der Sinn der Wiederholungen ist nicht die persönliche Reifung des Protagonisten. Es gibt nichts, was man richtig machen kann. Wer aber ein Buch mit großer psychologischer Dichte mag und keine Angst davor hat, sich existentiellen Fragen zu stellen und dabei noch großartig unterhalten sein will – dem sei Replay sehr empfohlen.
Alles in allem ein sehr spannender und tiefgründiger Roman über die (Un-)Möglichkeiten unseres Lebens.
Anmerkung zur hier rezensierten Ausgabe: Das Vorwort von John Grant sollte man besser nach dem Roman lesen, denn es nimmt einiges der Handlung voraus.
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