Rabenschwarze Beute
von Nicola Förg
350 Seiten © Pendo Verlag in der Piper Verlag GmbH München/Berlin www.piper.de ISBN 978-3-86612-419-6
Katastrophen kommen selten allein. Manchmal im Doppelpack oder gar in der Familienpackung, so dass es für alle reicht. Zuerst ist da die Sache mit dem nervigen Nachbar, der sein Recht, an Silvester ballern zu dürfen was das Zeug hält, etwas zu wörtlich nimmt. Während er, wie jedes Jahr und zur Freude sämtlicher Nachbarn, seine stundenlange Ein-Mann-Schießerei veranstaltet, trifft es einen der entnervten Mitbewohner der Siedlung unerwartet hart.
Die zweite Katastrophe erleidet die Modebloggerin "La Jolina", deren vierjährige Tochter verschwunden ist. Dieser Fall steht mit einer weiteren Katastrophe in direktem Zusammenhang, da sie sich auf einer Berghütte im Allgäu ereignet. Dorthin hat es auch die beiden Kommissarinnen Irmi Mangold und Kathi Reindl verschlagen ...
Eigentlich ist deren "spaßbefreiter" Chef als "todernster Egomane" bekannt. Deshalb staunt das völlig überraschte und einigermaßen sprachlose Team nicht schlecht, als er sich plötzlich als ein Anhänger des "Teamspirits" outet. Kinnladen hängen fast in Bodennähe, als er beginnt, ein Loblied auf die Notwendigkeit einer harmonischen Zusammenarbeit zu singen. Das Miteinander soll gestärkt werden, quer durch alle Abteilungen, von der Basis bis zur Führungsetage.
Nicola Förg schildert die Fassungslosigkeit des Teams nicht unoriginell und in allen Einzelheiten. Gekrönt werden die Ausführungen des spirituell offenbar völlig aus dem Ruder gelaufenen Vorgesetzten durch die Ankündigung, ein gemeinsames Hüttenwochenende zu verbringen. Jetzt regt sich Widerspruch, doch es ist zu spät. Nicht nur, dass schon alles gebucht ist, sondern das Event soll bereits am nächsten Wochenende stattfinden. Bedenkzeit bleibt also keine, was Nachteile, aber sicherlich auch Vorteile besitzt.
Routiniert zeichnet die Autorin Personen und Handlung. Schnörkellos und geradeaus, ohne literarischen Ecken und Kanten. Für Dauerleser eine willkommene Abwechslung, um vielleicht dem Ernst des Lesens einmal zu entfliehen. Ausruhen und mal wieder etwas Bodenständiges erleben. Humor ist natürlich eine Option, doch auch hier weiß Nicola Förg zu dosieren. Situationskomik darf nie aus dem Ruder laufen und allzu schräg wird es schon nicht werden.
Weniger lustig gestalten sich Hinweise und Fakten zum Thema Vogelschutz, wobei sich hier Dimensionen auftun, die nicht nur dem Rezensenten so nicht bekannt waren und mehr als Betroffenheit auslösen. Damit es aber nicht zu ernst wird, rundet Nicola Förg die Geschichte mit allerlei lustigen Begriffen ab, die zur Aufstockung des Allgemeinwissens ebenfalls durchaus geeignet sind. Weshalb beispielsweise "Buttere" nicht der Plural von Butter ist, weshalb ein Hund kein solcher ist sondern ein "Flummi" und was ein "Furunkel der Moderne" ist.
Negativ fällt lediglich Kollegin Andrea auf, die mit ihren ständigen "ähms", "alsos" und sonstigen Wortfragmenten vehement auf die Nerven geht. Das ebenso furiose wie düstere Finale wiegt aber alles auf. Zuvor gibt es noch eine Vernehmung der ganz besonderen Art, die aber hier nicht näher beschrieben werden soll. Es geht um einen zentralen Vorfall der Geschichte und um die Person, die jenes Ereignis selbst erlebt hat. Hier wächst Nicola Förg über sich selbst hinaus. Und mit der Schlusspointe dann sowieso.
Fazit: Glatt, aber nicht platt. Einfach gestrickt, aber nicht banal. Sehr gute Unterhaltung, die sich in der nicht mehr überschaubaren Flut der regional angehauchten Kriminalromane, insbesondere der Alpenfraktion, nicht zu verstecken braucht, sondern sich einen Stammplatz zu Recht gesichert hat.
|