Literatur

Rabenchor
Gedichte und Grafiken


von Gabriele Kromer


68 Seiten
Erste Auflage 2013
© Edition Thaleia, St. Ingbert 2013
www.edition-thaleia.de
ISBN 978-3-943382-05-1



Ich falle mal mit der Tür ins Haus. Nur damit wir das hinter uns haben. Die Typografie betreffend, gehen mir mit diesem Gedichtband die Gäule durch. Der kinderbuchgroße Schriftgrad gefällt mir, gelinde gesagt, gar nicht. Die im Gegensatz dazu stehende, sprachverunstaltende Kleinschreiberei natürlich auch nicht, was ich aber schon an anderer Stelle gesagt habe.

Bei den Bildunterschriften ging die Autorin (oder der Verlag?) wieder andere Wege, indem sie selbige komplett in Versalien setzte. Da passt nun wirklich nichts zusammen, was allerspätestens im Inhaltsverzeichnis auffällt. Alle drei Kritikpunkte versammeln sich hier zu einem Schriftbild des Grauens. Schon klar: Man dachte sich etwas dabei. Egal, denn damit bin ich auch schon am Ende des Anfangs.

Nachdem die Formalitäten nun erledigt sind, fällt ein Umlenken auf die inhaltlichen Dinge um so leichter, zumal "Rabenchor" die typografischen Verwirrungen in seiner Gesamtheit nahezu vollständig zu kompensieren weiß.

Ganz bestimmt begründet das die direkte Art, die Gabriele Kromer bevorzugt. Sie versteckt sich nicht hinter Gebirgen aus Mehrdeutigkeiten, um in unwegsamen Geländeformationen Burgen aus Metaphern zu errichten. Ganz im Gegenteil, denn das, was sie betrachtet, tut sie unmittelbar und deshalb kann sie sehr schnell  "aus der Haut fahren" (S. 8):

"lang
hab ich
sie betrachtet:
die linien
die kerben
die schrunden
die narben
meiner haut."

Beruhigen kann sie sich aber ebenso rasch, und einen allzu großen Kopf um Gott und die Welt scheint sie sich ebenfalls nicht zu machen, was eine geradezu beruhigende Wirkung hat. Wozu lange und womöglich vergeblich suchen, wenn es auch einfacher geht. Denn schließlich stellt sie unmissverständlich klar:

"es wird
die suche
sein,
die mich
findet - ..."

(aus "gefunden", S. 16)

Trotz aller positiven Perspektiven ist der Tod ihr ständiger Begleiter. Aber sie fürchtet ihn nicht. Ganz im Gegenteil, denn sie sieht den Dingen, die da kommen mögen, mit natürlicher Gelassenheit entgegen:

"wir gehn auf
abenteuerreise -
sagt er, der tod -
und kichert leise: ..."

(aus "reisebegleiter", S. 40)

Indem sie ihm nicht selten eine Pappnase aufsetzt, oder gar ein paar "Joggingschuhe" anzieht, wie in "der läufer" (S. 10) gelesen, gelingt ihr Erstaunliches. Sie begeht ein ums andere Mal einen handfesten Diebstahl. Entsetzen macht sich breit. Dem Tod wurde der Schrecken gestohlen!

Die Grafiken dürfen nicht unerwähnt bleiben, denn sie sind von einem ganz ähnlichen Kaliber. Laut Klappentext sollen diese mit den Gedichten "korrespondieren" und "sich gegenseitig ergänzen". Das ist vollkommen richtig, und dennoch möchte ich einen Schritt weitergehen.

Eine Ergänzung ist meist ein bloßer Zusatz. Man fügt halt etwas hinzu. So eine Art Beiwerk, womöglich noch zur Verzierung. Im Falle der Grafiken von Gabriele Kromer wäre das eine fast ungehörige Untertreibung, denn jedes ihrer Werke steht für sich und völlig eigenständig.

Sie ergänzen ein Gedicht nicht nur, sie SIND es! Und sie sind der beste Beweis dafür, dass man Worte auch zeichnen, dass man Dichtung auch malen kann. Sie sind ein, wenn auch sehr abenteuerlich interpretiertes, Spiegelbild der geschriebenen Dichtung. Kein Schatten, sondern ein Abbild mit anderen Mitteln.

Melancholie und Ambivalenz gehen gerne zusammen spazieren. Eigentlich sind sie immer dabei, und hämisch grinsend, wie immer, der Mann mit der Sense. Die Hauptsache ist doch, man geht den Weg, erhobenen Hauptes, bis zum Ende:

"... weder bin
ich
zerbrochen noch
unversehrt heil -
immer
ein tänzchen
auf brüchigem seil ..."

(aus "nähe - distanz", S. 30)

In vielen Zeilen entdecke ich eine Spur von Seelenverwandtschaft. Mehr kann man von einem Buch gar nicht erwarten. Ein Schatz ist es und ein Sammlerstück sowieso.

 

Thomas Lawall - April 2014

 

 

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