R.I.P.
von Yrsa Sigurdardóttir
446 Seiten © 2016 by Yrsa Sigurdardóttir © der deutschsprachigen Ausgabe 2019 by btb Verlag www.btb-verlag.de ISBN 978-3-442-75665-0
Wenn Zitate bekannter Größen des Genres den Haupttitel zieren, ist gar nicht mal so selten Vorsicht geboten. Dieses Mal ist es Karin Slaughter, welche Yrsa Sigurdardóttir als "eine großartige Autorin" lobt. Wenig aussagekräftig zwar, aber eine verkaufsfördernde Wirkung dürfte nicht ausgeschlossen sein.
Spätestens nach Beendigung der Lektüre fragt man sich, was der Titel überhaupt mit der Handlung zu tun hat. Der Titel der isländischen Originalausgabe "Aflausn" (Absolution) wäre weitaus passender gewesen. "R.I.P." würde nahezu auf jeden beliebigen Thriller passen.
Wie üblich, geschehen Morde. Die neuen Medien erlauben allerdings, im Gegensatz zu vergangenen Zeiten, eine etwas "kreativere" Vorgehensweise der Täterschaft. Im Falle von "R.I.P." ist es ein Smartphone und der Instant-Messaging-Dienst Snapchat.
Wie der Klappentext ganz richtig verrät, sind die letzten Minuten des Lebens der Opfer mit anzusehen. Nicht nur die Videos an sich, sondern auch die Verbreitung sorgen für Angst und Schrecken. Das alles mag völlig halt- und zusammenhanglos klingen, hat aber eine eindeutige Motivation. Das verrät der Klappentext mit keinem Wort. Dem schließt sich der Rezensent gerne an.
Jetzt gilt es natürlich herauszufinden, wer hinter alldem steckt, und jeder Thrillerfan weiß ein Lied davon zu singen, wie spannend das sein kann. Weniger spannend hingegen sind die privaten Verwicklungen, die uns in R.I.P. erwarten. Mit jenen weiß Yrsa Sigurdardóttir ebenso ausführlich wie nachhaltig zu nerven.
Es gibt Romane, die gerade durch private Komplikationen glänzen und die Haupthandlung fast vergessen lassen, doch in diesem Fall will es nicht gelingen. Techtelmechtel zwischen Kollegen in Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft sind hier eindeutig Füllmaterial und dementsprechend uninteressant. Es "knistert" nicht, sondern wird lediglich abgehandelt und wirkt somit aufgesetzt.
Hier und da glänzt die Autorin im Ausdruck, indem sie einen "Friedhof der Wünsche" beschreibt, oder wie man zu einem "ewigen Teenie" verurteilt werden kann. Häme mit Humor zu legieren gelingt ihr ebenfalls, beispielsweise mit "Bürogolfer" Kjartan, dem es in seinem Leben an "kurzen Hosen und Bier" mangelt.
Das Ende zieht sich und untermauert noch einmal den völlig deplazierten deutschen Buchtitel. Holprig und zusammengereimt wirkt das alles. Immerhin gibt es noch einen kleinen aber unangenehmen Knalleffekt. Alles in allem trotzdem keine Glanzleistung, dennoch kann "eine der besten Kriminalschriftstellerinnen der Welt" befriedigend und halbwegs spannend unterhalten.
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