Literatur

Papilio
Eine Flucht aus der DDR


von Jürgen Augst


140 Seiten
© ACABUS Verlag, Hamburg 2015
www.acabus-verlag.de
ISBN 978-3-86282-325-3



Das Unerwartete geschah in einer "Disko" in einem Clubhaus. Die unbekannte Schöne, die der Autor wenige Tage vorher in einem Freibad sah und bewunderte, sprach ihn völlig unerwartet an. Es war der Beginn einer zweijährigen Beziehung, die aber an der großen Entfernung zwischen den Wohnorten der Liebenden scheiterte. Wann es war ("vor drei Jahren"), erfahren wir nicht.

Er spielte Gitarre in einer Band, bekam Unterricht, doch seine Eltern waren mit seiner musikalischen Entwicklung nicht einverstanden. Die Beatles und Jimi (nicht Jimmy) Hendrix waren angesagt. Vier Jahre sei der Meister nun tot, wird erwähnt, was somit auf das Jahr 1974 schließen lässt. Die Band hatte keinen Erfolg. Auch die weitere berufliche Ausrichtung gelang nicht. Der Beruf des Elektroinstallateurs ödete Jürgen Augst an, und mit den politischen Verhältnissen in der DDR konnte er sich ebenfalls nicht anfreunden.

Damit war er nicht allein, weshalb schließlich der Wunsch nach einer Flucht aus dem verhassten Staat reifte. Mit Freund Frank begaben sie sich auf eine abenteuerliche Reise an die jugoslawische Grenze, wo sich die beiden eine ebenso abenteuerliche Aktion ausdachten, um die Passkontrolle durch rumänische Wachposten zu meistern. Das misslang gründlich und nun gerieten die beiden in die Fänge der rumänischen Geheimpolizei Securitate.

Die Schilderungen über die Inhaftierungsbedingungen und die Brutalität der zuständigen Beamten und Aufseher nehmen einen großen Teil des Buches ein. Man wundert sich, wie man eine derart unmenschliche Behandlung überstehen und verkraften kann. Gründlicher und nachhaltiger konnte der Gedanke an ein Erreichen Österreichs nicht zerstört werden.

Das Martyrium dauerte Jahre (?), endete aber so plötzlich, wie es begann. Jürgen Augst und Frank Richter wurden mit dem Zug nach Bukarest und von dort aus mit dem Flugzeug nach Berlin gebracht. Nach Verhören durch die Stasi werden aber beide freigelassen. Es folgen Schlaglichter auf den weiteren beruflichen Werdegang und den Wehrdienst. Von einem im Klappentext erwähnten "Straflager" wird nichts berichtet.

Von wann bis wann sich die einzelnen Ereignisse zugetragen haben, erwähnt der Autor nicht. Fast schon am Ende des Buches findet der Leser schließlich eine Zeitangabe. 1982 betritt er mit seiner Frau die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Berlin. Dass der Ausreiseantrag, offenbar zwei Jahre später, Erfolg hatte, erfahren wir nur im Klappentext.

Leider ist das Buch in zwei Stunden gelesen (wobei das Ende etwas diffus bleibt). Die Rückblenden, ebenfalls undatiert, können den einfachen, aufsatzartigen Stil des Buches nicht verdecken. Rückblicke in die Kindheit, Jugend und Familie des Autoren bleiben grob skizziert. Die politischen Verhältnisse in der DDR werden allenfalls angedeutet.

"Papilio - Eine Flucht aus der DDR" ist ein kleines Buch mit einer großen Geschichte, die eine genauere und umfangreichere Bearbeitung verdient hätte. Immerhin ist und bleibt es ein gutes Stück Vergangenheitsbewältigung des Autors. Und es erinnert an unzählige Einzelschicksale, die im Zusammenhang mit gescheiterten Fluchtversuchen stehen und immer mehr in Vergessenheit geraten.

 

Thomas Lawall - Juni 2015

 

 

Für Fragen, Kritik und Anregungen steht unser Forum zur Verfügung

Home News Literatur Gedichte Kunst Philosophie Schräg Musik Film Garten Küche Gästebuch Forum Links Impressum