Mord heilt alle Wunden Ein Wien-Krimi
von Peter Wehle
288 Seiten © Haymon Taschenbuch, Innsbruck-Wien 2015 www.haymonverlag.at ISBN 978-3-7099-7815-3
Das hätte sich der werte Herr Hofrat Magister Ludwig Halb nicht träumen lassen, dass er einmal sein eigenes "Zinshaus" renovieren würde. Als Leiter des Referats für Gewaltkriminalität im österreichischen Bundeskriminalamt hat er wahrlich genug andere Aufgaben zu bewältigen, als sich in der ersten vermieteten Wohnung mit Installationsaufgaben zu beschäftigen, die sich zudem nicht gerade einfach gestalten, obgleich der Baumarkt ein "Sanitär-Ensemble zur problemlosen Selbstmontage" versprochen hatte. Aber was macht man nicht alles für seine "einstweiligen Lieblingsmieter" und dessen entzückenden Sohn Klein-Friedrich, für den Halb bereits den Rang eines "Reserve-Großvaters" eingenommen hat.
Derweil tun sich dienstliche Dinge von ganz anderer Qualität. Halbs Mitarbeiterin Magistra Verena Planner lädt ihn zunächst auf einen privaten Besuch bei ihrem Großvater ein, der ihm unbedingt eine nicht ganz alltägliche Geschichte zum Vortrage bringen will. Herr Horak kann zunächst nicht zum Wesentlichen gelangen und verliert sich in einer umständlichen Einleitung, bis ihn seine Enkelin mehr oder weniger deutlich auf das zentrale Anliegen hinweist. Da wäre zunächst einmal dieser "Sparverein" (der eigentlich gar keiner ist). Er zählt die Mitglieder des "Vereins für desillusionierte Weltverbesserer" auf, er selbst gehöre auch dazu und sein Freund Andreas Kandler. Dieser sei Nachtwächter im Museum für Kunstgeschichte der Weltreligionen und habe seit einiger Zeit ein größeres Problem. Ein Bild würde sich seltsam verhalten. Es hätte begonnen, mit ihm zu sprechen.
Ludwig Halb hat so seine Erfahrungen mit Menschen, die unter Wahnvorstellungen leiden, doch Verena und ihr Großvater sind sich sicher, da ein Wörtchen mitreden zu können, und zwar weniger aus beruflichen Erfahrungen als aus persönlichen. Horaks Tochter, Verenas Mutter, litt unter einem Hirntumor mit den entsprechenden psychischen Veränderungen. Schließlich erkrankte auch seine Frau, die ihre Symptomatik lange überspielen konnte. Eine vaskuläre Demenz kann aber am Ende nicht unbemerkt bleiben. Deshalb halten sich Horak und seine Enkeltochter für "Experten für psychisch Kranke". Der Kandler, so schwören beide, sei keinesfalls psychisch krank. Das stehe einwandfrei fest. Doch das besagte Bild spricht munter weiter ...
Kaum hat Peter Wehle mit "Mord heilt alle Wunden", dem dritten Band seiner Wien-Krimi-Reihe, seinen nächsten Streich ausgepackt, bleibt prompt und wieder einmal kein Auge trocken. Er bleibt seinem Motto treu, indem er die Gewichtungen in seinem Romankonzept wieder zu gleichen Teilen auf seine Figuren und die Geschichte selbst verteilt. Den außerordentlich schrägen Hauptstrang der Geschichte verlegt er in die Welt der Geister und spannt im gegebenen Rahmen den Bogen bis in die griechische Mythologie. Die Haupt- und Nebenfiguren gestaltet er nicht weniger schräg: Allen voran sein "Spitzenkriminalist mit Altwiener Charme", Hofrat Ludwig Halb und seine illustre Truppe.
Man darf sich bei Peter Wehle wieder auf eine ganze Reihe spitzfindiger Kommentare, Umschreibungen und Formulierungen freuen, die immer wieder das Lesetempo etwas drosseln, denn man möchte unbedingt Situationen ausgiebig auskosten, die sich beispielsweise in einem "von Wänden kaum zu bändigenden Raum" abspielen. Auf satirisch-literarische Umdichtungen darf man sich ebenso einstellen wie auf ein "ausgelagertes Zweithirn".
Sehr pointiert gestaltet der Autor auch Telefongespräche, die er so authentisch zu Papier bringt, als würden sie tatsächlich stattfinden. Von ganz besonderem Kaliber sind die Streitgespräche zwischen Hofrat Halb und seinem Vorgesetzten Hofrat Dr. Straka, die eine langjährige Streittechnik, mit "ritualisiertem Ablauf", verbindet. Handfeste Überraschungen auf allen Ebenen bleiben nicht aus, weshalb Wehles neuer Kriminalroman insgesamt anregende Unterhaltung auf konstant hohem Niveau bietet.
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