Literatur

Mörderische Witwen

von Pascal Engman


508 Seiten
© 2020 by Pascal Engman
© 2022 by J.G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger GmbH
www.tropen.de
ISBN 978-3-608-50515-3



Klappentexte verraten mitunter mehr, als es eigentlich wünschenswert ist. Den Haupttitel zu enträtseln, erübrigt sich also, denn um welche Art Witwe/n es sich handelt, ist von vornherein klar. Hätte dieser Hinweis gefehlt, wäre die Spannung bis fast zur Seite 300 eine andere gewesen. Natasja, Vanessa Franks syrische Ziehtochter, ist also eine "Witwe des IS". Schade, dass Leser/innen dies bereits erfahren, bevor sie überhaupt mit der Lektüre beginnen.

Das heißt aber nicht, dass dieser Bruch in der Spannungskurve dem Buch einen irreparablen Schaden zufügen kann, denn spannend ist die Geschichte trotzdem. Wenn aber das Attentat im letzten Drittel des Buches, dem der Justizminister zum Opfer fällt, ebenfalls vorweg genommen wird, ist das schon reichlich ungewöhnlich bis ärgerlich ...
 
Immerhin kann "Mörderische Witwen" mit einer ganzen Reihe höchst überzeugender Charaktere glänzen, allen voran Kriminalkommissarin Vanessa Frank, die mitunter auch schon einmal ermittelt, wenn sie es gar nicht darf.

Nicolas Paredes, einst bei der SOG (Eliteeinheit der schwedischen Streitkräfte) unehrenhaft entlassen, verdient sich seinen Lebensunterhalt nunmehr als Bodyguard in einer ebenso vermögenden wie zwielichtigen Familie.

Ebenfalls eine tragende Rolle spielt die Prostituierte "Molly", die es schaffte, mit ihren Tätigkeiten in gehobene Kreise aufzusteigen. Das bringt enorm viel Geld, birgt aber das eine oder andere unkalkulierbare Risiko.

Einen völlig anderen Strang bildet die Geschichte des IT-Technikers Axel und seiner getrennt lebenden ehemaligen Partnerin Rebecca. Man vermeidet die üblichen Streitereien, was dem gemeinsamen Sohn Simon zugute kommt. Bis ein Unfall das Leben aller durcheinander bringt.

Nebenrollen, wie die des Leiters der Mordkommission, Mikael Kask, einem Ex-Fotomodell, sind hervorragend besetzt. Der neue Kollege Samer Bakir gibt Rätsel auf, ein gewisser Farid oder ein Hamza Mansour ebenso, während Max Lewenhaupt den erfolgreichen Redakteur der Sensationspresse gibt. Auch diese Figuren haben alle nicht nur ein Gesicht, sondern auch eine Geschichte.

Wie die Lebenswege jener und weiterer Personen in Zusammenhang stehen ist zunächst nicht klar, doch die Verwirrung verdichtet sich am Ende in ein traumatisches Gesamtbild. Zudem besitzt die Story ein raffiniert gestricktes Tempo, welches nicht zuletzt durch die meist sehr kurzen Kapitel immer weiter beschleunigt wird. Ein ums andere Mal kann es vorkommen, dass man im Hürdenlauf der Perspektivenwechsel kurz aus engen Kurven, mangels Überblick, geschleudert wird.

Der dritte Band der Vanessa-Frank-Reihe hat also insgesamt sehr viel mehr zu bieten als der Klappentext verrät.

 

Thomas Lawall - Juli 2022

 

 

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