Literatur

Miss Vergnügen

von Martina Parker


390 Seiten
© 2025 - Gmeiner-Verlag GmbH
www.gmeiner-verlag.de
ISBN 978-3-8392-0841-0



Der Besuch bei der Ehefrau des vermissten Zonenchefs der Kosmetikfirma "Très Loué" Jaques Bernard fühlte sich an wie eine "Audienz". Luka Vukovic, Wiens jüngster Bezirksinspektor, und Chefinspektorin des LKA, Rita Baumgartner, besuchen Giselle Bernard im Wiener Hotel Sacher.

Selbstverständlich residiert sie in der 180 Quadratmeter großen Suite im obersten Stockwerk, der besten des Hauses. Natürlich ist auch prominenter Besuch anwesend, nämlich niemand geringeres als die Frau des französischen Botschafters.

Mit spitzer Feder charakterisiert Martina Parker die Hochwohlgeborene, deren Erscheinungsbild man sich im Vorfeld völlig anders vorgestellt hat. Keines der erwarteten Klischees trifft zu, und nicht einmal Designerkleidung trägt die Dame. Es dominiert ihre Gesichtsfarbe, die man von Menschen kennt, "deren Alkoholkonsum die Grenze von Geselligkeit zu besorgniserregend überschritten hatte".

Es folgen die üblichen Fragen nach Feinden, Neidern, dem letzten bekannten Ort, an dem er gesehen wurde, und überhaupt nach irgendwelchen Auffälligkeiten in der letzten Zeit.

Vergeblich warten Leserinnen und Leser auf "Miss Brooks", der eigentlich erwarteten Hauptperson des Romans, sowie deren Ermittlungen. Eingangs kurz, aber durchaus spektakulär, vorgestellt, muss sie sich fast wie eine Nebendarstellerin mit Unwesentlichem beschäftigen.

Erst viel später ruft man sie auf den Plan. Sehr viel später sogar, denn zunächst gilt es einmal, sämtliche Personen ausgiebig vorzustellen, wobei hier ein Fokus auf deren Privatleben, insbesondere deren Beziehungsgeflecht, liegt. Von echter Polizeiarbeit oder dem Eingreifen der "Neo-Ermittlerin" Miss Brooks ist zunächst überhaupt keine Rede.

Nach gut einem Drittel des Buches kommt überhaupt erst eine solche Idee auf und es dauert weitere einhundert Seiten, bis es dann endlich konkrete Formen annimmt. Vorab nimmt der Roman allerdings, durch einen ebenso spektakulären, wie völlig unerwarteten Mordanschlag, kräftig an Fahrt auf. Zudem hat Miss Vergnügen nicht nur einen schrecklichen Vornamen, sondern, wie fast alle Protagonistinnen und Protagonisten, massive private Probleme, die (leider) ausführlich abgehandelt werden müssen.

In einem "Kriminalroman" erwartet man andere Strukturen, zumal Cover und Klappentext einiges versprechen. Zum Glück rettet Humor die Geschichte, denn Martina Parker teilt mitunter ordentlich aus. Besonders langwierige Einblicke in die Welt der Reichen und Schönen, sowie in die ganze Parfum- und Kosmetikwelt, werden damit nicht unerheblich aufgelockert.

Schrecklich ist auch jenes Event-Blabla, wobei die Autorin als ehemalige Beauty- und Lifestyle-Journalistin ja weiß, wovon sie spricht. Herrlich deshalb ihre Seitenhiebe, beispielsweise in Richtung extrem schlanker Frauen, die auf keiner Luxuspräsentation fehlen. Deren Figuren wären nur durch einen "ausgeklügelten Mix aus Disziplin, Fitnesscenter und Essstörung" zu erreichen.

Weitere Pluspunkte sind eine deftige Einführung in "Wiener Schmäh" und die Vorstellung einer ganz besonderen Katze mit einer ebensolchen Fähigkeit! Ebenso drollig wirkt die Platzierung von Kochrezepten nach dem Ende eines Kriminalromans. Eines macht den Rezensenten glücklich, nämlich jenes für Röstzwiebeln. Herzlichen Dank dafür!

Trotz einiger Kritikpunkte ist der Auftakt für eine Miss-Vergnügen-Reihe gelungen, denn die Dame mit dem unmöglichen Vornamen besitzt sowohl Potential als auch Serienreife.

 

Thomas Lawall - September 2025

 

 

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