Literatur

Messertanz

von Katja Bohnet


304 Seiten
©Knaur Verlag
www.knaur.de
ISBN 978-3-426-51674-4



Der Besuch des Landesinstituts für gerichtliche Medizin in Berlin-Moabit gestaltet sich anders als erwartet. Viktor Saizew und Rosa Lopez vom LKA Berlin sind gemeinsam unterwegs, wobei sich Rosa zunächst noch etwas im Hintergrund hält. Die gewohnheitsmäßige Stille im Untergeschoss scheint sich in ein "basslastiges Pulsieren" verwandelt zu haben. Als Viktor schließlich die Tür des Sektionsraumes öffnet, schlägt ihm eine Wand aus elektronischer Musik, "jenseits aller Dezibel-Grenzen", entgegen.

Der erwartete Dr. Matitsch scheint nicht anwesend zu sein. Statt dessen stellt sich ihm Siska Mohn, eine kleine und unscheinbare, fast kindlich wirkende, Frau, vor. Der Kollege wäre zur Uni in München berufen worden und sie sei jetzt die Neue. Die klaren Worte ihrer Vorstellung und ihre direkten Ansagen in Richtung Viktors Person, die in seinen Ohren wie Komplimente wirken, bringen ihn leicht aus dem Konzept. Lopez, die inzwischen eingetroffen ist, ebenfalls, doch hier gehen ihre weiteren Ausführungen erst einmal nach hinten los ...

Höchste Sachkompetenz zeigt Siska Mohn allerdings, was die Untersuchung einer ermordeten Frau betrifft. Die 65-jährige Alla Kusmin wurde bestialisch ermordet und die Art der Verletzungen, die ihr zum Teil auch noch post mortem zugefügt wurden, lassen nur einen Schluss zu: Die Tat muss sehr persönlicher Art sein. Das Opfer muss den Täter gekannt haben, was auch das Fehlen von Abwehrverletzungen belegt.

Viktor Saizew und Rosa Lopez stehen zunächst vor einem Rätsel, doch als weitere Morde ähnlicher Art geschehen, ergeben sich Verdachtsmomente, die sich in nicht vermuteten Dimensionen bewegen. Dem gegenüber stehen die persönlichen Probleme der Ermittler, die sich in ihrer Brisanz immer weiter aufschaukeln. Hierin liegt vielleicht die ganze Stärke des Romans begründet, denn Katja Bohnet versteht es auf geradezu unheimliche Weise, ihre Personen zu charakterisieren.

Viktor sieht sich mit einer schweren Krankheit konfrontiert und ist ihr ausgeliefert, was schließlich zu einer Beurlaubung führt, die er allerdings konsequent, und mit den zu erwartenden Folgen, ignoriert. Rosa Lopez lebt in einer Art Zwischenwelt, denn seit der Entführung ihres Kindes, die acht Jahre zurückliegt und bisher nicht aufgeklärt werden konnte, ist ihr Leben ein einziger Ausnahmezustand.

Jene Abgründe setzt die Autorin sehr eindringlich in Szene, wobei ihre Personenbeschreibungen eher Psychogramme sind, welche die Zerrissenheit ihrer Protagonisten schonungslos offenlegen. Alle haben Angst, mit Viktor zusammenzuarbeiten, und bei Rosa ist es nicht anders, "denn sie verströmt das Unglück aus allen Poren wie Tote einen Verwesungsgeruch". Doch gemeinsam sind die beiden Außenseiter unschlagbar, "wie Einzelteile eines zerbrochenen Krugs. Nur zusammen ergaben sie einen Sinn."

Einer der Hauptfiguren der dunklen Seite widmet Katja Bohnet ebenfalls besondere Aufmerksamkeit: Lew Petrow. Man wird Zeuge einer furchtbaren Vergangenheit und Kindheit und wie sich die traumatisierenden Erlebnisse, unauslöschlich ins Hirn gebrannt, in der Zukunft immer wieder um sich selbst drehen und damit gnadenlos multiplizieren. Im Gegensatz dazu zeichnet sie die Person der Gerichtsmedizinerin Siska Mohn geradezu von einer erfrischenden Direktheit der ganz anderen Art.

Extreme Figuren, in einer extremen Handlung vereint, ergeben einen extrem guten (Psycho-)Thriller. Katja Bohnets Debüt möge der Anfang einer langen Serie sein.

 

Thomas Lawall - Januar 2016

 

Für Fragen, Kritik und Anregungen steht unser Forum zur Verfügung

Home News Literatur Gedichte Kunst Philosophie Schräg Musik Film Garten Küche Gästebuch Forum Links Impressum