Literatur

Mein wilder Kampf gegen die Angst
Lyrikanthologie


von Dinçer Güçyeter (Hg.)


88 Seiten
Erste Auflage November 2014
Veröffentlicht im Elif Verlag
www.elifverlag.de
ISBN 978-3-9816147-4-9



Angst in all ihren verständlichen, aber auch völlig unverständlich-unerklärlichen Schattierungen ist unser ständiger Begleiter. Sinnlos, sie ignorieren zu wollen. Klar, doch nicht selten diffus, bricht sie in unser Leben, wie es ihr beliebt, bis sie ein Teil von uns wird. Sie anzunehmen ist für viele ein Weg, den Kampf gegen sie aufzunehmen die Straße der anderen.

Die Formulierung "Mein wilder Kampf gegen die Angst" lässt bittere Erinnerungen an Fassbinders "Angst essen Seele auf" (1974) aufflackern, zumindest lassen jene eindringlichen Bilder aus einer immer mehr verblassenden Vergangenheit und die starken Worte der Gegenwart eine gewisse Seelenverwandtschaft erahnen, vielleicht ein Grund mehr für den Elif-Verlag, eine Sammlung von Gedichten zum immerwährenden Thema zu wagen und herauszubringen.

38 Dichterinnen und Dichter "kämpfen" mit, und sie tun es auf sehr unterschiedliche Weise. Özlem Özgül Dündar geht mit Worten, die gesprochen werden wollen, sich prügeln oder stolpern (S. 30 - 32), experimentelle Wege, die sich mir keineswegs erschließen, die zu beurteilen aber dennoch nicht meine Angelegenheit sein soll.

Es hat sowieso keinen Sinn, diese Sammlung von Wort-Schätzen mit einer leichten Kost zu verwechseln. Für eben mal so zwischendurch zu lesen ist sie nicht geeignet, keinesfalls seicht und unverbindlich, wie es diese Zeit so gerne mag. Auch und insbesondere in Verbindung mit der äußeren Aufmachung des Buches und dem eigenwillig-sinnlichen Layout von Ümit Kuzoluk ginge so ein Werk als E-Book aus meiner Sicht gar nicht. Dieses Werk und diese Worte muss man be-greifen können, auch wenn man manche nicht (sofort) versteht.

Schön ist es, Klára Hůrková wieder einmal zu treffen, auch wenn "Zusammenkunft" (S.44) verwirrt und traurig stimmt, während Manfred H. Freude die "Angst" (S. 48) auf den Punkt bringt, aber dennoch zum Weitersingen animiert. Grandios ist der "Weltensegler" (S. 61) von Heike Kreitschmann, wenn "Hoffnungsschimmer fluten" und "Winde fallen wie Piraten". Und nein, Dinçer, um auf das Nachwort anzuspielen, mir ist das alles auch nicht zu pathetisch. Und wenn schon ...

Ein "wilder Kampf" gegen die Angst ist also angesagt und vielleicht sogar notwendiger denn je ...

"... Umherschwirrend
verurteilen obskure Gedanken die Wortlaute,
Sprache genannt,
zum Tode

(Foud El Auwad/Die Essenz/S.9)

... und das gilt es zu verhindern. An vorderster Front stehen, mit Worten schwer bewaffnet, ein Verlag, ein Verleger und seine Autorinnen und Autoren.
"Mein wilder Kampf gegen die Angst" ist ein Buch für alle, die gerne zwischen den Zeilen lesen und zwischen allen Stühlen denken. Und für alle, die mit gepackten Koffern an Gleisen stehen, die sich in unklarer Zukunft verlieren. Jene, die allen Ängsten, die sich ins Gepäck geschlichen haben, zum Trotz, ihr eigenes Lied singen.

 

Thomas Lawall - Juli 2015

 

 

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