Mein Wille geschehe
von Bernd Schwarze
384 Seiten © 2021 Knaur Verlag www.knaur.de ISBN 978-3-426-52752-8
Gott fordert, mitunter auf seltsamen Wegen, Gehorsam von seinen Schäfchen ein. Die Geschichte von Abraham und dessen Sohn Isaak dürfte allgemein bekannt sein. Der Sinn nicht unbedingt, denn seit Generationen ist man sich keineswegs über die Bedeutung jener Forderung einig. Abraham wurde doch damit beauftragt, ein Volk zu gründen, doch wie soll dies gelingen, wenn er seinen Sohn opfern, also kaltblütig ermorden, soll? Zum Glück entscheidet sich der Allmächtige in letzter Sekunde anders ...
... was Pater Benedikt in abgrundtiefe Zweifel stürzt. Dementsprechend fällt seine aktuelle Predigt aus, die zuerst die Geschichte nacherzählt, um schließlich mit einem halbherzigen Pauschalsatz zu enden: "Gott prüft uns manchmal". Selbstverständlich würde er uns auch helfen, denn er ist ja "barmherzig und hat uns lieb. Amen." Wie schon seit längerer Zeit erntet Pater Benedikt wenig Beifall für seine, die Grenze der Langeweile weit überschreitenden, Ausführungen. Auch privat läuft es alles andere als gut, denn seine Frau Silke hat sich ein anderes Leben und im Grunde einen anderen Mann vorgestellt.
Nun ist es so, dass der Klappentext des Buches erstaunlich viel verrät, was in Zeiten, die sich mit den so verräterischen "Spoilern" nicht so recht anfreunden kann, ungewöhnlich wirkt. Gut, einerseits sollen Rezensenten etwas über den Inhalt des Buches erzählen, aber im Prinzip dann wieder nicht, was eigentlich Sache ist. Dass aber ein Klappentext derart viel, inklusive Mörder(!), preisgibt, ist schon eine Seltenheit.
Bemerkenswert ist allerdings auch, dass dies der Spannung keinerlei Abbruch tut, auch wenn man nicht nur ahnt, sondern weiß, was passiert! Diesen Roman muss man völlig anders aufnehmen und verstehen. Auf ein spannendes Rätselraten, wer denn nun der Übeltäter ist, kann man sich also nicht einstellen, sondern eher darauf, ob und wie Hauptkommissar René Wilmers jenem auf die Spur kommen mag.
Leider befindet sich der Vertreter des Gesetzes im Moment ebenfalls in einem schier unüberwindlichen persönlichen Dilemma, was im Rahmen eines Gesprächs mit dem Pastor schon fast groteske Formen annimmt. Und genau davon lebt dieser völlig aus dem Rahmen fallende Kriminalroman. In dem rabenschwarzer Humor auf Personen, in eigene unfertige Lebensentwürfe verstrickt, trifft, und sich unbekannte Türen öffnen, die neue, so nie erwartete Situationen generieren, entwickelt sich ein Szenario wie kein anderes. Das Offensichtliche existiert plötzlich nicht mehr.
Auch seine Personen zeichnet Dr. theol. Bernd Schwarze, der im wahren Leben das Amt des pastoralen Leiters der Kultur- und Universitätskirche St. Petri zu Lübeck bekleidet, mit sehr viel liebevollem Aufwand. Dementsprechend lange muss man lange auf die "Action" warten, doch von Langeweile ist hier keine Spur. Auch vermeintliche Nebenfiguren spielen durch die ausführliche Charakterisierung maßgebliche Rollen, die entscheidend dazu beitragen, die Geschichte in all ihren überraschenden Wendungen voranzutreiben.
Neben der spektakulären Handlung gibt es jede Menge Nachhilfe in Theologie und über allem steht die zentrale Frage, die in diesem Roman gestellt wird: Kann ein Mord gerechtfertigt sein, der weit Schlimmeres verhindern, ja sogar Leben retten könnte? Die Justiz gibt hier eindeutige Antworten, aber wie wäre es mit dem moralischen Auftrag einer übergeordneten Instanz? Kann ein Mörder ein besserer Seelsorger sein?
Der Schluss wird, oh welche Überraschung, in dieser Besprechung natürlich nicht verraten. Das Kaleidoskop der überraschenden Wendungen spottet jeder Beschreibung. Hauptsache, der merkwürdige Geruch in der Kirche hat sich am Ende verzogen. Dafür riecht es nun, wie sich sogar Herr Fitzek wünscht, nach einer Fortsetzung. Nicht auszudenken, was ein solcher Pfarrer noch alles anstellen könnte!
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